Welche Schmetterlingsarten kommen in einer zunehmend städtischen Umgebung zurecht?
(Monika Offenberger) Die Urbanisierung schreitet voran. Davon betroffene Arten und Populationen weichen zurück, passen sich an oder profitieren davon. Welche Merkmale die Anpassungsfähigkeit europäischer Tagfalter an urbane Lebensräume beeinflussen, zeigt eine aktuelle Studie: Begünstigt sind demnach Arten, die als Falter überwintern, viele Monate im Jahr fliegen und diverse Nahrungsquellen nutzen. Benachteiligt sind Arten, die als Ei oder Raupe überwintern und spezielle Ansprüche an Futterpflanzen und Umgebungstemperaturen stellen.
Wild lebende Tiere und Pflanzen reagieren auf unterschiedliche Weise auf die stetig zunehmende Verstädterung der Landschaft: Manche Arten kommen mit den veränderten Bedingungen nicht zurecht, andere passen sich an, wieder andere profitieren davon. Wodurch werden diese drei möglichen Reaktionen beeinflusst? Ein Team um Corey T. Callaghan am iDiv Leipzig hat einen quantitativen Ansatz entwickelt, um die Stadtaffinität (urban affinity) europäischer Tagfalter und die dafür ursächlichen Eigenschaften und Lebensstrategien zu ermitteln. Als Datenbasis dienten mehr als 920.000 Sichtungen von Schmetterlingen in ganz Europa, die – jeweils mit den geografischen Koordinaten der Fundorte – von 2010 bis 2020 in der Global Biodiversity Information Facility (GBIF; URL 1) dokumentiert wurden. Berücksichtigt wurden nur einheimische Arten, von denen mindestens 250 Sichtungen vorlagen; das traf für 158 Spezies aus sechs Tagfalter-Familien (Bläulinge, Weißlinge, Dickkopf-, Edel-, Ritter- und Würfelfalter) zu.
Intensität der Beleuchtung als Maß für die Siedlungsdichte
Je dichter eine Region besiedelt ist, umso stärker ist sie nachts beleuchtet. Umgekehrt lassen sich aus der Intensität der nächtlichen Beleuchtung die Siedlungsdichte und damit der Urbanisierungsgrad einer Gegend ablesen. Seit 2014 werden die nächtlichen Lichtemissionen weltweit vom satellitenbasierten Visible Infrared Imaging Radiometer Suite (VIIRS) gemessen. Um nun die Stadtaffinität der 158 ausgewählten Schmetterlingsarten zu ermitteln, wurden jeweils die Koordinaten der Falter-Sichtungen mit den VIIRS-Daten verglichen. Dabei zeigt sich, ob die betrachtete Schmetterlingsart urbane Räume eher meidet, toleriert oder gar bevorzugt. Ergebnis des Datenabgleichs: 79 Prozent der Arten meiden urbane Räume, 5 Prozent kommen dort ebenso häufig und 16 Prozent häufiger vor als anderswo. Verzerrungen durch etwaige bevorzugte Beobachtungsorte wurden in den Berechnungen berücksichtigt.