Priorisierung im bayerischen Artenschutz
(Anna Rita Gabel) Das Artenschutzzentrum (BayAZ) im Bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU) hat eine bayernweite Arten-Priorisierung für den Handlungsbedarf im Artenschutz erarbeitet. Eine Priorisierung ist notwendig, da die Herausforderungen im Naturschutz angesichts wachsender Roter Listen weiter zunehmen und die Ressourcen begrenzt sind. Das erarbeitete Konzept wird für alle gängigen Artengruppen angewendet. Die einzelnen Listen stehen nach Fertigstellung auf der Homepage des LfU zur Verfügung. Die Priorisierungen dienen als fachliche Arbeitshilfe und Grundlage für die Durchführung von Artenhilfsprogrammen.
Hintergrund
Aufgrund lokaler Bemühungen konnten in den letzten Jahren die Bestände einiger Arten und Lebensräume verbessert oder stabilisiert werden. Angesichts begrenzter Ressourcen ist es allerdings notwendig, sich bei zukünftigen Hilfsprogrammen auf die Arten zu fokussieren, bei denen wir den größten Handlungsdruck haben. Priorisierungs-Listen dienen primär als Arbeitsgrundlage und Unterstützung für die Naturschutzverwaltung in der Artenschutzplanung und -praxis, aber auch Naturschutzverbände können sich daran orientieren. Das Ziel ist, flächendeckend Artenhilfsprogramme für hoch priorisierte Arten durchzuführen, um die bestehenden Ressourcen zu bündeln, wobei neben fachlichen Grundlagen auch die rechtliche Zielsetzung im Artenschutz eine wichtige Rolle spielt.
Bereits 2009 wurde am LfU eine Priorisierung für den botanischen Artenschutz in Zusammenarbeit mit Artenkennerinnen und Artenkennern aus ganz Bayern erarbeitet und veröffentlicht (WOSCHÉE 2009). Zurzeit aktualisiert das LfU die Rote Liste der Gefäßpflanzen und überarbeitet die Priorisierung für diese. Eine solche systematische Priorisierung ist auch für weitere Artengruppen notwendig und bereits in Arbeit. Das einheitliche Konzept inklusive Methodik sowie die ersten Priorisierungen zu drei Artengruppen (Brutvögel, Amphibien, Reptilien) wurden Mitte 2023 fertiggestellt und sind auf der Website des LfU abrufbar (URL 1).
Methodik
Ein abgestimmtes und erprobtes Konzept wird auf alle zu bearbeitenden Artengruppen angewendet. Dabei werden die Arten anhand fester Kriterien und einem einheitlichen Punktesystem gewichtet:
- Rote-Liste-Bayern-Status (LfU)
- Natura 2000: Zugehörigkeit zu Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Anhang-ll/-lV oder VSR-Anhang-l
- Natura 2000: Erhaltungszustand der FFH-Anhangsarten
- Internationale Verantwortung Deutschlands
Alle Daten stammen aus der Taxonomischen Referenzliste des LfU. Bei bearbeiteten Daten oder Daten aus anderen Quellen befindet sich eine Beschreibung mit Erläuterungen im Konzept-Dokument (URL 1).
Die Arten sind anhand der gewichteten Hauptkriterien in Kategorien von A bis in der Regel G eingeteilt:
A Akuter Handlungsbedarf
B Hoher Handlungsbedarf
C Erhöhter Handlungsbedarf
D Handlungsbedarf
E Beobachtung/Kontrolle
F Beobachtung
G Keine Maßnahme erforderlich
Neben den Hauptkriterien, deren Daten aus veröffentlichten Quellen stammen, gibt es ein weiteres Kriterium: die fachliche Korrektur. Dabei werden die Einstufungen durch Artenkennerinnen und Artenkenner geprüft und bei Bedarf und nur nach streng definierten Kriterien korrigiert. Mögliche Gründe können kurzfristige Bestandsänderungen, veralteter Datenbestand einzelner Arten, besondere Risikofaktoren oder taxonomisch schwierig abgrenzbare Arten sein.
Für größtmögliche Transparenz wird in den Priorisierungstabellen auf gegebenenfalls erforderliche fachliche Korrekturen explizit hingewiesen.
Das BayAZ veröffentlicht sukzessive die Priorisierungslisten der einzelnen Artengruppen in den Jahren 2023/24. Folgende Artengruppen sind derzeit vorgesehen: Amphibien und Reptilien und Brutvögel liegen vor (URL 1); Fische, Gefäßpflanzen, Heuschrecken, Libellen, Mollusken und Tagfalter folgen.
Priorisierung in der Praxis
Die Priorisierung hilft dabei, den Fokus für neue oder neu aufgelegten Artenhilfsprogramme auf die Arten der oberen Kategorien zu legen. In der Praxis sollte an erster Stelle in einer Region geprüft werden, ob Artenhilfsprogramme für die Arten der obersten Kategorien bereits etabliert oder noch notwendig beziehungsweise durchführbar sind. Ein absoluter Fokus auf Arten der Kategorien A, B und C ist nicht zwingend, es gilt neben der bayernweiten Priorisierung auch lokale oder überregionale Aspekte zu berücksichtigen. Aus den Kategorien können außerdem Vorranggebiete für den Artenschutz festgesetzt oder Eingriffsgebiete auf priorisierte Arten geprüft werden. Aktuell findet die Artenschutz-Priorisierung zudem Anwendung bei der Ausweitung des Biotopverbunds. Deshalb ist in einem zweiten Schritt nach Fertigstellung der bayerischen Priorisierungslisten eine entsprechende Auswertung auf Landkreisebene geplant, um den Handlungsbedarf noch stärker regional zu differenzieren.
Fragen rund um die Priorisierungen können an die Postadresse des Bayerischen Artenschutzzentrums gesendet werden: artenschutzzentrum@lfu.bayern.de.
Alle veröffentlichten Dokumente zum Thema finden Sie auf der LfU-Website (URL 1).
Literatur
URL 1: Artenschutz-Priorisierung des LfU; www.lfu.bayern.de/natur/priorisierung/index.htm (Zugriff: 05.09.2023).
WOSCHÉE, R. (2009): Prioritätenliste für den botanischen Artenschutz in Bayern. – Bayerisches Landesamt für Umwelt, Augsburg.
Autorin:
Anna-Rita Gabel
LfU – Bayerisches Artenschutzzentrum
+49 8821 94301-24
annarita.gabel@lfu.bayern.de
Anna Rita Gabel (2024): Priorisierung im bayerischen Artenschutz. – ANLiegen Natur 46/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/priorisierung-im-artenschutz/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik Artenschutz:
Anliegen Natur 46/1 (2024): 4 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,4 MB).