Der Einsatz neuer Monitoringtechniken zur Erfassung und zum Schutz seltener und wertgebender Arten im Rahmen von Moorrenaturierungen
(Sebastian Rudischer, Lukas Ittner) Naturnahe Moore sind gleichermaßen bedeutsam für den Schutz des Klimas und der Biodiversität. Renaturierungsprojekte fokussieren sich jedoch – gerade in Niedermooren – meist auf den Klimaschutz. Die Regionalstelle Karlshuld des Bayerischen Artenschutzzentrums im Landesamt für Umwelt (LfU) will daher im Projekt „Biodiversität und Moorschutz“ (URL 1) zeigen, wie bei Moorschutz-Maßnahmen mit seltenen und wertgebenden Arten wie dem Schlammpeitzger umgegangen werden kann.
Als Modellgebiet für die Untersuchungen dient unter anderem das oberbayerische Donaumoos. Mit einer Fläche von zirka 14.000 ha und Grabenstrukturen von etwa 500 km Länge wäre die flächendeckende Erhebung von Daten durch klassische Kartiermethoden mit einem enormen Personal- und Zeitaufwand verbunden. Daher wurden im August 2021 erstmals eDNA-Analysen zur Untersuchung des Gebiets eingesetzt. Diese vergleichsweise junge Monitoringmethode bedient sich der Analyse von DNA-Fragmenten, die alle Organismen stetig in ihren Lebensräumen verlieren. Diese können zum Nachweis von Arten aus sogenannten Umweltproben (zum Beispiel Wasser, Sedimenten) filtriert und im Labor detektiert werden. Im oberbayerischen Donaumoos wurden zum Nachweis von sechs Zielarten an verschiedenen Grabenabschnitten insgesamt 101 Wasserproben entnommen und mittels einer Pumpe durch einen Kapselfilter filtriert. Die im Filter gesammelte eDNA wurde mit einer Pufferlösung konserviert und von einem beauftragten Speziallabor analysiert.
Unter anderem stand der Europäische Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis) bei den Untersuchungen im Fokus. Im Rahmen der Untersuchung wurde die DNA des Schlammpeitzgers an 15 Probestellen gefunden. Elektrobefischungen an den 15 Nachweisstellen, die das LfU durchführte, dienten dazu, die Befunde abzusichern. An sechs dieser Stellen konnte das Vorkommen des Schlammpeitzgers dadurch bestätigt werden. Insgesamt wurden über 60 Individuen gefangen. Diese Ergebnisse zeigen, dass der Schlammpeitzger in durchaus hohen Stückzahlen in Entwässerungsgräben von Niedermooren vorkommen kann, wenn die Habitatbedingungen erfüllt sind. Dies ist vor allem im Zentralbereich des Untersuchungsgebietes der Fall. Hier konnten die größten Populationen nachgewiesen werden. Die äußeren Bereiche scheinen spärlicher und nur zeitweise besiedelt zu sein.
Das Vorkommen vitaler Schlammpeitzger-Populationen kann beispielsweise einer Grabenverfüllung oder einem Aufstau entgegenstehen. Der Austausch mit Experten zeigt jedoch, dass es Möglichkeiten gibt, Schlammpeitzger-Populationen dabei zu schonen. Um möglichst viele Individuen zu erhalten, sollten zum einen Gräben, in denen sich nur saisonal Schlammpeitzger aufhalten, im Winterhalbjahr bearbeitet werden, wenn die Aktivität der Fische am geringsten ist. Die Tiere sind noch im Spätsommer/Frühherbst bei Wassertemperaturen von mehr als 8°C zu bergen und an geeigneter Stelle wiedereinzusetzen. Zum anderen empfiehlt es sich, Gräben mit regelbaren Wehren aufzustauen. Diese können in Phasen mit Wasserüberschuss geöffnet werden, um einen zeitweisen Austausch von Individuen zwischen Populationen zu ermöglichen. Sind im Umfeld Gräben mit geeigneter Habitatstruktur vorhanden, können gegebenenfalls Fisch-Populationen auch dauerhaft umgesiedelt werden.
Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die Untersuchung von Grabensystemen in Moorgebieten mittels eDNA eine durchaus effiziente und kostengünstige Alternative zu klassischen Kartieransätzen sein kann. Jedoch muss immer im Einzelfall entschieden werden, ob der Einsatz der Methode Sinn macht. Der Nachweis mittels eDNA liefert lediglich qualitative Informationen über die gesuchten Arten (PAWLOWSKI et al. 2020; SCHENEKAR et al. 2020). Daher sind klassische Erhebungsmethoden, wie etwa die Elektrofischerei, nach wie vor gängig, um auch Informationen über Anzahl, Größe und Alter der vorkommenden Individuen zu erhalten. Um aber in großen Gebieten wie dem oberbayerischen Donaumoos schnell und effektiv einen Überblick über die Verbreitungsgebiete gesuchter Arten zu erlangen und relevante Teilgebiete für Detailuntersuchungen abzugrenzen, ist die Methode mittels eDNA sehr gut geeignet.
Mehr:
EFFENBERGER, M., OEHM, J., SCHUBERT, M. et al. (2021): Rote Liste und Gesamtartenliste Bayern – Fische und Rundmäuler. – Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.), Stand 2021.
PAWLOWSKI, J., APOTHÉLOZ-PERRET-GENTIL, L., MÄCHLER, E. et al. (2020): Anwendung von eDNA-Methoden in biologischen Untersuchungen und bei der biologischen Bewertung von aquatischen Ökosystemen – Richtlinien. – In: BUNDESAMT FÜR UMWELT SCHWEIZ (Hrsg., 2020): Umwelt-Wissen; DOI: 10.5167/UZH-187800.
SCHENEKAR, T., SCHLETTERER, M. & WEISS, S. (2020): eDNA als neues Werkzeug für das Gewässermonitoring – Potenzial und Rahmenbedingungen anhand ausgewählter Anwendungsbeispiele aus Österreich. – In: Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaft (72): 155–164; DOI: 10.1007/s00506-020-00656-x.
URL 1: Biodiversität und Moorschutz – LfU Bayern; www.lfu.bayern.de/natur/bayaz/arbeitsschwerpunkte/biodiversitaet_moorschutz/index.htm (Zugriff: 29.09.2022).
Autoren:
Sebastian Rudischer, Bayerisches Landesamt für Umwelt
Sebastian.Rudischer@lfu.bayern.de
Lukas Ittner, Bayerisches Landesamt für Umwelt
Lukas.Ittner@lfu.bayern.de
Sebastian Rudischer, Lukas Ittner (2023): Der Einsatz neuer Monitoringtechniken zur Erfassung und zum Schutz seltener und wertgebender Arten im Rahmen von Moorrenaturierungen. – ANLiegen Natur 45/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/schlammpeitzger/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik Forschung für die Praxis:
ANLiegen Natur 45/1 (2023): 6 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 2,1 MB).