Verbot oder Appell: Wie vorgehen gegen Schottergärten?
(Monika Offenberger) Angesichts der biologischen Verarmung unserer Landschaft steigt die Kritik an geschotterten Vorgärten. In Baden-Württemberg ist durch das 2020 novellierte Landes-Naturschutzgesetz die Neuanlage von Schottergärten auf Privatgrund verboten. In anderen Bundesländern sehen die Bauordnungen eine Begrünungspflicht vor, die der Anlage von Schottergärten entgegensteht – so auch in Bayern. Dabei ist es den Kommunen überlassen, ob sie Schottergärten verbieten oder auf ihren freiwilligen Verzicht appellieren.
In ganz Deutschland kommen sogenannte Schottergärten in Mode, stoßen jedoch auch vermehrt auf Befremden (SÖLDNER & SCHMIDT 2021). Aus einer repräsentativen Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung e.V. geht hervor, dass im Jahr 2017 bereits 15 Prozent der Vorgärten in Deutschland größtenteils durch Pflaster oder wasserabweisende Folien versiegelt und mit Kies oder Schotter bedeckt waren (URL 2). Als erstes Bundesland schreibt Baden-Württemberg in seinem neuen Naturschutzgesetz landesweit vor, dass „Gartenanlagen insektenfreundlich gestaltet werden“ sollen und erklärt „Schotterungen zur Gestaltung von privaten Gärten“ für grundsätzlich unzulässig.
Alle anderen Bundesländer mit Ausnahme von Sachsen-Anhalt sehen in ihren Bauordnungen eine Begrünungspflicht für die unbebauten Flächen von bebauten Privatgrundstücken vor. Demnach müssen die Eigentümer dafür Sorge tragen, dass solche Flächen begrünt oder bepflanzt werden und Wasser aufnehmen können – sofern dem nicht die Erfordernisse einer anderen zulässigen Verwendung der Flächen entgegenstehen. Welche Ausnahmen als „zulässige Verwendung“ anerkannt werden, muss nach der jeweiligen Landesbauordnung im Einzelfall beurteilt werden; darunter fallen zum Beispiel Abstellplätze für Mülltonnen oder Fahrräder sowie notwendige Zugangs- und Fahrtwege. Schottergärten finden hier namentlich keine Erwähnung, doch gelten sie gemeinhin nicht als „andere zulässige Verwendung“ und sind somit bereits jetzt nach geltendem Recht unzulässig (GOEBEL 2020). Einige Länder machen in ihren Bauordnungen zusätzliche Auflagen für die Gestaltung unbebauter Flächen auf bebauten Grundstücken. So schreibt etwa Hamburg vor, dass Vorgärten „gärtnerisch zu gestalten“ sind. Niedersachsen fordert ausdrücklich Grünflächen ein; im Saarland und in Rheinland-Pflanz sind wasserundurchlässige Befestigungen nur in streng beschränkten Ausnahmenfällen erlaubt. Auch in Regensburg gilt seit Anfang 2020 eine Freiflächengestaltungssatzung, die unter anderem die Begrünung von Vorgärten vorschreibt (STADT REGENSBURG 2020).
Dagegen haben Bremen, Dortmund und Paderborn schon 2019 ein explizites Verbot von Schottergärten in ihren Bebauungsplänen festgelegt. Als erste bayerische Stadt hat auch Erlangen Anfang 2020 ein Verbot von Schottergärten für Neu- und Umbauten verabschiedet; wenige Monate später beschloss der Stadtrat von Würzburg, ein Verbot von Schottergärten in die neue Satzung der Freiflächennutzung aufzunehmen. In Erlangen ist die Satzung bereits in Kraft getreten und gilt für das gesamte Stadtgebiet. Sie bezieht sich nicht nur auf die Gestaltung der Vorgärten selbst: Auch Zuwege und Zufahrten müssen künftig „soweit es die Art der Nutzung, Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit zulassen, mit wasserdurchlässigen Belägen“ versehen werden. Zudem sind Einhausungen für Müll- und Abfallbehälter mit hochwachsenden oder rankenden Gehölzen „wirksam einzugrünen“. Und auch Flachdächer und fensterlose Fassaden sollen ab einer bestimmten Größe dauerhaft begrünt werden. Der Landesverband Bayerischer Haus-, Wohnungs- und Grundbesitzer e.V. sieht in diesen rigiden Vorschriften einen erheblichen Eingriff in die Gestaltungsfreiheit der Eigentümer. Solcherart Kritik weist Erlangens Baurefent Josef Weber zurück: Alle Appelle an Bauherren und Hausbesitzer, freiwillig auf die lebensfeindlichen und ästhetisch fragwürdigen Schottergärten zu verzichten, hätten nichts gebracht. Zugleich aber will Weber „ein Bewusstsein bei den Bürgern schaffen, wie jeder Einzelne zu mehr Klima- und Naturschutz beitragen kann, das ist ja schließlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Besitzer bestehender Schottergärten können nicht zum Rückbau verpflichtet werden; „wir beraten sie aber“, so Weber (AUGSBURGER ALLGEMEINE 2020).
Das Beispiel von Erlangen und Würzburg könnte Schule machen. Denn seit 1. Februar 2021 ist die reformierte Bayerische Bauordnung in Kraft: Darin wird den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, künftig die Bepflanzung der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke in ihren Satzungen detailliert zu regeln (Art. 81 Absatz 1 Nr. 5) und beispielsweise die Anlage von Steingärten, Schottergärten und Kunstrasen zu verbieten. „Wir geben den Städten und Gemeinden mehr Handlungsspielraum. Diese Lösung ziehen wir einem bayernweiten Verbot vor“, betonte die Bayerische Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) auf einer Pressekonferenz in München. Als erste Gemeinde machte davon Peißenberg im Landkreis Weilheim Gebrauch: Nach einem entsprechenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen beschloss der Gemeinderat mit hauchdünner Mehrheit ein Verbot von geschotterten Steingärten auf privaten und gewerblichen Grundstücken. Bestehende Schottergärten genießen – wie überall in Bayern – Bestandsschutz und müssen nicht zurückgebaut werden. Um die Peißenberger Bürgerinnen und Bürger über die schädlichen Auswirkungen von Schottergärten aufzuklären und alternative Gestaltungsformen für ihre Gärten und Grünflächen aufzuzeigen, sind Informationsveranstaltungen mit dem örtlichen Gartenbauverein geplant. Weitere Anregungen für die Anlage von artenreichen, insektenfreundlichen und dennoch pflegeleichten Gärten finden sich auf den Internetseiten des NABU und weiterer Naturschutzverbände (URL 3).
Mehr:
AUGSBURGER ALLGEMEINE (2020): Schottergärten verboten: Nachbarn melden Gärten bei der Stadt. – Vom 15.08.2020; www.augsburger-allgemeine.de/bayern/Schottergaerten-verboten-Nachbarn-melden-Gaerten-bei-der-Stadt-id57930056.html.
Goebel, L.-M. (2020): Verbot von Schottergärten. – Recht der Natur-Schnellbrief 222, IDUR Informationsdienst Umweltrecht e.V. (Hrsg.): 57–60.
Söldner, K. & Schmidt, L. (2021): Buchbesprechung „Gärten des Grauens“. – ANLiegen Natur 43/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/gaerten-des-grauens/.
STADT REGENSBURG (2020): Satzung über die Gestaltung der unbebauten Flächen der bebauten Grundstücke, Einfriedungen und die Begrünung baulicher Anlagen in der Stadt Regensburg (Freiflächengestaltungssatzung – FGS). – Vom 03. Februar 2020; www.regensburg.de/stadtrecht/415160/satzung-ueber-die-gestaltung-der-unbebauten-flaechen-der-bebauten-grundstuecke-einfriedungen-und-die-begruenung-baulicher-anlagen-in-der-stadt-regensburg-freiflaechengestaltungssatzung-fgs-vom-03-februar-2020.html.
URL 1: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0.
URL 2: Bundesverband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e. V.: Marktforschung: Ein grüner Vorgarten ist den Deutschen sehr wichtig; https://rettet-den-vorgarten.de/bgl-neue-studie-zu-vorgaerten-vorgestellt/.
URL 3: NABU: Pflanzen statt Schotter – Ideen für vielfältige und pflegeleichte Vorgärten; www.nabu.de/umwelt-und-ressourcen/oekologisch-leben/balkon-und-garten/grundlagen/planung/28500.html .
Monika Offenberger (2021): Verbot oder Appell: Wie vorgehen gegen Schottergärten? – ANLiegen Natur 43/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/schottergaerten/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik:
ANLiegen Natur 43/2 (2021): 8 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,6 MB).