Umweltverträgliche Straßenbeleuchtung am Beispiel der Gemeinde Stegaurach
(Simon Krause) Lichtverschmutzung zu reduzieren birgt ein gewaltiges, fast ungenutztes Potenzial für den Naturschutz. Obwohl die negativen Auswirkungen von künstlichem Licht seit langem bekannt sind, werden umweltfreundliche Technologien und Methoden in der Praxis bislang kaum genutzt. Durch § 41a Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) werden Kommunen und Landkreise nun zur Vermeidung von Lichtverschmutzung verpflichtet. Um diese bei der notwendigen Transformation zu unterstützen, zeigt ein neues Faltblatt am Beispiel der Best Practice-Gemeinde Stegaurach, wie Naturschutz und Beleuchtung gemeinsam funktionieren können.
Lichtverschmutzung als Treiber des Artensterbens
Künstliches Licht ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. In Bayern nimmt die beleuchtete Fläche deutschlandweit am stärksten zu – allein zwischen 2012 und 2016 um 45 % (BT 2020). Die negativen Auswirkungen auf die Natur sind vielseitig: Beispielsweise werden Zugvögel von ihren Routen abgelenkt, Bäume werfen ihre Blätter im Herbst verspätet ab und Fledermäuse verlassen ihre Ruheplätze nicht mehr (CABRERA-CRUZ et al. 2018; ŠKVARENINOVÁ et al. 2017; VOIGT et al. 2021). Auch auf uns Menschen wirkt sich kaltweiße Beleuchtung aus: Sind wir diesem Licht häufig ausgesetzt, schlafen wir schlechter und sind krankheitsanfälliger (GRUBISIC et al. 2019; PATEL 2019; WALKER et al. 2020). Vor allem aber stellt Lichtverschmutzung seit langem einen stark unterschätzten Treiber des Insektensterbens dar (GRUBISIC et al. 2018).
Neue Gesetze regeln erstmals künstliche Beleuchtung
Noch vor wenigen Jahren gab es keine wirkungsvollen Gesetze zur Bekämpfung von Lichtverschmutzung. Durch § 1 und § 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), § 39 und § 44 BNatSchG sowie Art. 1 und Art. 1a BayNatSchG war es zwar in der Theorie verboten, Menschen, Tiere und Pflanzen durch lichtbedingte Umwelteinwirkungen zu schädigen. Aufgrund fehlender Grenzwerte und der unmöglichen Nachweisbarkeit im Einzelfall wurden die allgegenwärtigen Verstöße jedoch nicht geahndet. Seit 2019 regulieren Art. 11a BayNatSchG und Art. 9 BayImSchG in Bayern immerhin den Einsatz von Werbebeleuchtung im Außenbereich und von Himmelsstrahlern sowie die Beleuchtung öffentlicher Gebäude. Ein wirklicher „Game-Changer“ wurde jedoch erst im Jahr 2021 auf Bundesebene im Rahmen des Insektenschutzgesetzes verabschiedet: § 41a BNatSchG ist das erste Gesetz, das den Schutz von Tieren und Pflanzen vor Lichtimmissionen durch neue und bestehende Beleuchtungen an Straßen, Wegen, Außenbeleuchtungen baulicher Anlagen und Grundstücke sowie Werbeanlagen verpflichtend vorschreibt und zukünftig konkrete Grenzwerte vorschreiben wird.
Eine immense Transformation ist notwendig
Die Herausforderung, sich an diese neue Realität anzupassen, ist groß. In den letzten Jahren wurden vielerorts extrem umweltschädliche, kaltweiße LED mit hoher Leuchtdichte verbaut und Dimmungen beziehungsweise Nachtabschaltungen abgeschafft. Licht wird immer billiger und die Überbeleuchtung fördernde DIN-Norm 13201 wird noch immer von vielen irrtümlicherweise als Muss missverstanden. Vorbilder, die zeigen, wie umweltverträgliche Beleuchtung in der Praxis erfolgreich umgesetzt werden kann, sind bis heute schwer zu finden.
Neues Faltblatt „Umweltverträgliche Beleuchtung am Beispiel der Gemeinde Stegaurach“
Das Biodiversitätsprojekt „Mit Maß und Bernstein – Umweltverträgliche Beleuchtung fördern“ möchte das ändern. Seit 2021 berät die höhere Naturschutzbehörde (hNB) der Regierung von Oberfranken über Möglichkeiten zur Vermeidung von Lichtverschmutzung und begleitet Umstellungsprozesse. Nun wurde gemeinsam mit der Gemeinde Stegaurach und der Organisation „Paten der Nacht“ ein Best Practice-Faltblatt erarbeitet. Stegaurach ist Vorreiterin in umweltverträglicher Beleuchtung: 600 Straßenlaternen wurden mit umweltfreundlichen Amber-LED mit 2.200 K Farbtemperatur ausgestattet. Das bernsteinfarbene Licht wird von Insekten und anderen Tieren kaum wahrgenommen und schont die menschliche Gesundheit. Zusätzlich gewährleistet eine Dimmung und Nachtabschaltung einen effizienten Einsatz des Lichts. Bereits nach 6 Jahren wird sich die Investition auch finanziell gelohnt haben. Darüber hinaus können knapp 70 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. So leistet die neue Beleuchtung einen wichtigen Beitrag zum Arten- und Klimaschutz – Ein Positiv-Beispiel, das zum Nachahmen einlädt. Das Faltblatt kann bei der hNB Oberfranken als Druckexemplar kostenfrei bestellt werden und ist online unter folgendem Link abrufbar: www.regierung.oberfranken.bayern.de/mam/service/umwelt/natur/biodiversitaet/faltblatt_umweltvertr%C3%A4glichestra%C3%9Fenbeleuchtung_hnb_ofr.pdf
Literatur
BT (= DEUTSCHER BUNDESTAG, 2020): Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) gemäß § 56 der Geschäftsordnung – Technikfolgenabschätzung – Lichtverschmutzung – Ausmaß, gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen sowie Handlungsansätze. – Bericht, Berlin, Drucksache 19/22433: 144 S.
CABRERA-CRUZ, S. A., SMOLINSKY, J. A. & BULER, J. J. (2018) Light pollution is greatest within migration passage areas for nocturnally-migrating birds around the world. – Sci. Rep. 8: 3261.
GRUBISIC, M., VAN GRUNSVEN, R. H. A., KYBA, C. C.M. et al. (2018): Insect declines and agroecosystems: does light pollution matter? – Ann. Appl. Biol. 173: 180–189.
GRUBISIC, M., HAIM, A., BHUSAL, P. et al. (2019): Light Pollution, Circadian Photoreception, and Melatonin in Vertebrates. – Sustainability 11(22): 6400.
PATEL P. C. (2019): Light pollution and insufficient sleep: Evidence from the United States. – Am. J. Hum. Biol. Nov. 31(6): e23300.
ŠKVARENINOVÁ, J., TUHÁRSKA, M., JAROSLAV, S. et al. (2017): Effects of light pollution on tree phenology in the urban environment. – Moravian Geographical Reports 25: 282–290.
VOIGT, C. C., JASJA, D., FRITZE, M. et al. (2021). The impact of light pollution on bats varies according to foraging guild and habitat context. – BioScience 71: 1103–1109.
WALKER, W. H., BUMGARNER, J. R., WALTON, J. C. et al. (2020): Light Pollution and Cancer. – Int. J. Mol. Sci. Dec 8/21(24): 9360.
Autor
Simon Krause
Regierung von Oberfranken
+49 921 604-1603
simon.krause@reg-ofr.bayern.de
Simon Krause (2024): Umweltverträgliche Straßenbeleuchtung am Beispiel der Gemeinde Stegaurach. – ANLiegen Natur 46/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/strassenbeleuchtung/.
Zum Download der Notizen in der Rubrik Artenschutz:
Anliegen Natur 46/2 (2024): 4 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,4 MB).
Vielen Dank für den gelungenen Beitrag und der Herausstellung des Potenzial für wirksamen Artenschutz durch die Wiederherstellung der Dunkelheit. Hierzu wollte ich noch einige Ergänzungen machen. Der Begriff der „umweltverträglichen“ Beleuchtung ist irreführend, denn Kunstlicht kann max. weniger umweltbelastend sein. Neben der Farbtemperatur ist aber insb. der Lichtstrom (Intensität) von Bedeutung. Man sieht klar auf den Fotos einen sehr hohen Lichtstrom. Zudem sollte die Vermeidung und Abschaltung immer im Vordergrund stehen; zumal es auch in Bayern keine allgemeine und flächendeckende Beleuchtungspflicht gibt und die Nachtabschaltung die einzig wahre „umweltverträgliche Nicht-Beleuchtung“ ist. Übrigens, für das kaltweiße (grässliche) LED-Licht gibt es gute und günstige Lösungen zur Reduzierung des Blauanteil; z.B. Folie oder Optiken. Dazu kann ich Ihnen etwas schicken, denn so kann es ja in vielen Orten nicht bleiben.
Nicht erwähnt wurde, dass aufgrund der Tatsache, dass Licht gem. BImSchG zu den schädlichen Umwelteinwirkungen zählt schon immer auf Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB technische Vorkehrungen zur Vermeidung von Lichtimmissionen möglich sind. Auch die BNO eröffnet viele Spielräume. Mehr dazu unter: https://drive.google.com/file/d/1tyMJ1FYVkbsUWzD-WABi-nmLD22pYybX/view Auch sollte das Thema „Abschalten einfach mehr in die Debatte kommen. Immerhin schalten Großstädte wie Gütersloh weitgehend ab. Auch hierzu gibt es eine Übersicht https://www.lichtverschmutzung-hessen.de/Nachtabschaltung und ein Dossier zum Umgang mit Populismus im Zusammenhang mit Nachtabschaltungen: https://www.lichtverschmutzung-hessen.de/Nachtabschaltung/Nachtabschaltung_und_Unbehagen
Auf unserer Seite finden Sie auch ein FAQ zu rechtlichen Fragestellungen und insb. eine Checkliste für die Auslegung der Beleuchtung. Denn auch in Stegaurach ist sie augenscheinlich sehr technisch-industriell ausgelegt worden (wobei es klasse ist, dass auf 2200 K umgerütstet wurde – ds wird es bei uns schon lange und in vielen Orte, also ist das eine gute Sache). https://www.lichtverschmutzung-hessen.de/sicherheit-und-recht/oeffentliche_beleuchtung
Vielleicht kann man noch auf diesen m.E. sehr guten Link verweisen: https://www.umwelt.sachsen.de/mogliche-einflussnahme-durch-kommunen-6301.html
Stegaurach ist übrigens eine Partnergemeinde des Sternenpark Rhön und Teil des Sternenpark Rhön liegen in Bayern. Wir haben viel gutes und nützliches Material. Vielleicht wollen Sie mal Kontakt aufnehmen?
Ich möchte ja keinen Wermut in den lichtgedämmten Amberwein tropfen, aber auf allen www-Seiten, die sich mit Gesetzen beschäftigen, steht, dass § 41a BNatSchG noch gar nicht in Kraft sei. Kann man das irgendwie klären?
Lieber Herr Schreiber,
Sie haben recht, der Paragraf ist noch nicht in Kraft. Die Ausführungsverordnung fehlt ebenso. Auch uns ist kein geplanter Zeitpunkt bekannt.
Mit besten Grüßen,
Ihre Anliegen-Redaktion