Steigt das Waldbrandrisiko durch mehr Totholz im Wald?
Verena Frey und Wolfram Adelmann
Steigt das Waldbrandrisiko durch mehr Totholz im Wald?
Die EU-Generaldirektion Umwelt (DG ENV) beauftragte LARJAVAARA et al. (2023) für eine Literaturstudie über das Waldbrandrisiko durch Totholz. Die Ergebnisse sollen als Leitfaden für gesetzliche Entscheidungen, für die Forstpolitik sowie für den Naturschutz dienen. Wir stellen Ihnen hier die Kernaussagen vor und diskutieren ihre naturschutzfachliche Relevanz.
Summary
Does more deadwood in forests increase the risk of forest fires?
The EU Directorate-General for Environment (DG ENV) commissioned LARJAVAARA et al. (2023) for a literature study on the risk of forest fires caused by dead wood. The results are supposed to serve as a guide for legal and political decisions, for forest policy and for nature conservation. In this article, we present the key messages and discuss their relevance for nature conservation.
Zum Volltext-Download:
ANLiegen Natur 46/2 (2024): 4 Seiten als Volltext herunterladen (pdf barrierefrei 0,5 MB).
Zu diesem Thema hätte ich mir gewünscht, dass auch das Gutachten von Prof. Dr. Michael Müller https://www.wald.sachsen.de/Gutachten-Waldbrandgefahr.pdf erwähnt wird, zumal die Abbildung 2 genau diese Situation zeigt. Die Aussagen in diesem Gutachten, dass auf Vorort-Recherche basiert, weichen schon sehr von den Aussagen der von Ihnen vorgestellten Studie ab. Diese ist m. E. sehr nadelholzlastig, ohne dies auch explizit zu erwähnen. Ich war übrigens vor drei Monaten auf diesen Flächen und bin begeistert von der Strukturvielfalt und der Wiederbesiedelung durch Birke und Aspe. Ebenso hat sich der Fingerhut flächig angesamt und wird heuer in Hülle und Fülle blühen. Aus Sicht des Nationalparks konnte diesen Flächen nichts Besseres passieren. Ob die aufwendige Brandbekämpfung überhaupt sinnvoll war und die Brände nicht von selber erloschen wären, möchte ich mal dahingestellt lassen.
Norbert Wimmer, LWF
Sie haben Recht, besonders in Bezug auf den Totholzeinfluss weichen die Beobachtungen teilweise ab. Kern unseres Kurzartikels sind die Aussagen der Metastudie von Larjavaara über ganz Europa und hier entscheiden ja „Mehrheitsverhältnisse“ und zeichnen wohl ein anderes Bild als im Einzelfall der Sächsischen Schweiz (ein Dilemma aller Metastudien, dass Mehrheiten über das Ergebnis entscheiden und Details und Einzelbeobachtungen verloren gehen).
Die Diskrepanz der Aussagen lässt sich aber auflösen, weil auch Müller hier Hinweise gibt: Es ist wohl die Beschaffenheit des Totholzes – und auch angegriffener Bäume durch Pilzbefall – mitentscheidend. Ich bin mir noch nicht ganz im Klaren, wie das alles zusammenpasst, aber auch Larjavaara zeigte, dass die Dimension – und damit oft der einhergehende Feuchtigkeitsgehalt des Totholzes – feuerverlaufsentscheidet sind. Sie beschreiben, wie auch die Beobachtungen von Müller, dass feindimensionierte Teile wesentlich feuerbeitragend sind, während dickere Stammteile nur verkohlen und dann oft ausgehen.
Ich bin fast „froh“, dass es einen Nationalpark getroffen hat, weil ich sehr darauf hoffe, dass die aktuelle Einzelbeobachtung von Müller durch eine fundierte Dauerbeobachtung und Forschung ergänzt wird.
Wolfram Adelmann, ANL
Vielen Dank für Ihre Rückmeldungen. Mir geht es einfach darum, dass der Einfluss des Totholzes auf Waldbrände richtig eingeordnet wird. In mitteleuropäischen Laubwäldern halte ich die Gefahr für sehr gering. Mir ist zumindest kein Beispiel bekannt. Leider wird aber sehr schnell pauschaliert und das Belassen von Totholz generell in Frage gestellt. Es muss auch, wie Sie es dankenswerterweise auch in ihrem Artikel gemacht haben, immer wieder betont werden, dass unsere Kiefern- und Fichtenwälder letztendlich künstliche Taigawälder sind, in denen Waldbrände eine wichtige Rolle spielen und alles andere als eine ökologische Katastrophe sind.
Ich hoffe auch sehr, dass auf den Waldbrandflächen in der Sächsischen Schweiz Dauerbeobachtungsflächen eingerichtet werden.
Norbert Wimmer, LWF
Einhergehend mit Herrn Wimmers Wunsch ist das Gutachten von Herrn Müller in den Quellen unseres Artikels vermerkt (Brandschneisen-Kommentar auf Seite 3).
Es ist eine berechtigte Frage, inwieweit großflächige, aufwendige Waldbrandschutzmaßnahmen (inkl. Totholzreduktion) sinnvoll in Mitteleuropa erscheinen und dies sollte auch weiterhin diskutiert werden. In der Forstwirtschaft geht es unseres Erachtens häufig darum, zu handeln und einzugreifen. So wird der Natur nur wenig Raum gegeben, um sich selbst anzupassen und der eigenen Dynamik zu folgen (von der wir wohl sehr viel lernen könnten).
Unser Text antwortet auf Herr Wimmers Frage, indem unterstrichen wird, dass es stets auf den Gefährdungsgrad der Region ankommt sowie auf die standörtlichen Verhältnisse („Das Brandgefahrenpotenzial unterscheidet sich regional stark je nach Masse und Art des Totholzes, wie auch durch dessen Feinmaterialien pro Bestand“ [Seite 2]). Daraus leitet sich ab, dass regional unterschiedliche und teilweise vielleicht auch keine Maßnahmen eingeleitet werden müssen – das muss jeweils abgewogen werden. Gerade deshalb wird im Artikel kein waldbaulicher Handlungsleitfaden präsentiert, sondern eine Handvoll Möglichkeiten aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und diskutiert. Insofern spricht sich unseres Erachtens der Artikel weder gegen Totholz im Wald noch gegen Waldbrand als ökologischer Faktor grundsätzlich aus – sondern vielmehr für einen bewussten Umgang damit.
Die Angst, dass mit der Diskussion von Totholz und Waldbrand aber eine „Anti-Totholz-Bewegung“ entstehen könnte, ist natürlich nachvollziehbar.
Verena Frey und Wolfram Adelmann