Auch naturnahe Waldwirtschaft stört biologische Prozesse
(AZ) Durch Selektion auf bestimmte Baumformen und Alterszustände verändert auch eine naturnahe Forstwirtschaft den Artenbestand und die funktionalen Zusammenhänge von Waldgesellschaften. Experten des Nationalparks Bayerischer Wald empfehlen daher, starkes Totholz in lichten und dichten Waldbeständen anzureichern und Gebiete mit Nutzungsverzicht als Refugien und zukünftige Quellen für sensible Arten einzurichten.
Naturnahe Forstwirtschaft ist zwar deutlich besser geeignet, die typische Vielfalt in Wäldern zu erhalten als konventionelle Kahlschlag-Wirtschaft, doch auch einzelstammweise Nutzung, eine natürliche Baumarten-Zusammensetzung und die natürliche Verjüngung der Bestände führen zu einem Artenrückgang und zu deutlichen Veränderungen im Zusammenleben der Wald-Artengemeinschaften. Besonders Arten der lichten Waldphasen und an starkes Totholz, Großhöhlen oder an späte Zerfallsphasen gebundene Spezies werden durch die gezielte Vorausverjüngung bei naturnaher Bewirtschaftung gefährdet, wie Forschungsergebnisse aus dem Nationalpark Bayerischer Wald zeigen.
Dabei ist eine veränderte Artenzusammensetzung – beispielsweise von Pilzen oder Käfern – nur der am leichtesten zu erkennende Indikator von Veränderungen. Ein Arten-Parameter der beispielsweise die Nutzungsintensität anzeigt ist, dass ausbreitungsstarke Pilze (r-Strategen) mit der Nutzungsintensität zunehmen. So sind geänderte Dominanzstrukturen und Verschiebungen der funktionalen Zusammenhänge von Lebensgemeinschaften schwieriger zu beobachten, aber letztendlich entscheidend für die Wirkungen eines Ökosystems auf seine Umwelt. Sie sind ein Indiz dafür, dass Ökosystemprozesse verändert werden, was sich direkt auf die Ökosystem-Dienstleistungen für den Menschen auswirken kann.
Somit ist auch die naturnahe Forstwirtschaft nicht in der Lage, natürliche Lebensgemeinschaften und Prozesse vollständig zu erhalten, resümieren die Forscher. Sie führt aktuell nicht nur zum Verlust seltener Arten, sondern verändert auch funktionale Zusammenhänge und setzt damit Ökosystem-Dienstleistungen herab.
In genutzten Wäldern können die Effekte abgemildert werden, indem starkes Totholz in lichten und dunklen Partien erhalten wird, als auch Alt- und Biotopbäume entwickelt werden. Um Refugien und zukünftige Ausbreitungszentren für die speziellen Arten zu schaffen, sollten Schutzgebiete unterschiedlicher Größe oder Flächen mit langfristigem Nutzungsverzicht eingerichtet werden.
Mehr:
Bässler, C. & Müller, J. (2015): Selbst naturnahe Waldwirtschaft stört biologische Prozesse. – AFZ-Der Wald 3/2015: 42–43.
Bässler, C., Ernst, R., Cadotte, M., Heibl, C., & Müller, J. (2014): Near-to-nature logging influences fungal community assembly processes in a temperate forest. – J. App. Ecology 51:939–948.
Zitiervorschlag: Zehm, A. (2015): Auch naturnahe Waldwirtschaft stört biologische Prozesse. – ANLiegen Natur 37/1, S. 16–17; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/waldwirtschaft/.