Situation bayerischer Wiesenbrüter weiter kritisch
(AZ) Die sechste Kartierung bayerischer Wiesenbrüter des Landesamtes für Umwelt belegt eine weiterhin kritische Situation für die Vögel der offenen Kulturlandschaft. Die Bestände von drei Arten sind auf niedrigem Niveau weitgehend stabil, während alle anderen untersuchten Wiesenvögel zum Teil deutlich abnahmen und sich weiter aus der Fläche zurückzogen. Ursachen liegen in der intensivierten Landwirtschaft, Störungen durch zu starke Freizeitnutzung und 2014 in einem für Wiesenvögel ungünstigen Witterungsverlauf.
Bereits zum sechsten Mal wurden bayernweit die Brutvögel auf rund 700 Wiesen erfasst, wobei für keine Art ein positiver Bestandstrend festgestellt werden konnte. Dies deckt sich mit den Ergebnissen aus anderen (Bundes-) Ländern und einer beobachteten europaweiten Bestandsabnahme der Brutvögel der offenen Kulturlandschaft. Experten gehen davon aus, dass insgesamt heute 300 Millionen Vögel weniger die Grasländer Europas besiedeln als noch vor 30 Jahren. Damit bleibt weiterhin dringender Handlungsbedarf, den Schutz der Wiesenbrüter Bayerns zu verbessern, um den Verlust biologischer Vielfalt nachhaltig abzuwenden.
Die aktuelle Untersuchung zeigt, dass die Bestände des Großen Brachvogels, der Grauammer und des Wachtelkönigs halbwegs stabil bleiben, während die Anzahl der Brutpaare aller anderen untersuchten Wiesenvögel zum Teil deutlich abnahmen. Dabei war vor allem auffällig, dass sich die Arten weiter aus der Gesamtfläche zurückzogen, während sie in Kernflächen des Naturschutzes tendenziell unverändert blieben.
Als Ursachen des Rückgangs nennt die Studie die Intensivierung der Landwirtschaft (inklusive des Grünlandumbruchs), Störungen durch Freizeitnutzung (besonders durch Spaziergänger mit freilaufenden Hunden), Verbuschung, nachtaktive Beutegreifer und zu wenig Nahrung. Die kritische Situation für Wiesenbrüter hat sich 2014 durch eine ungünstige Witterung (Trockenheit zur Brutzeit und gehäufte Niederschläge während der Jungenaufzucht) zusätzlich verschärft.
Die Ergebnisse für die in der Studie untersuchten Arten: Mit 489 Brutpaaren im Jahr 2014 im Vergleich zu 465 im Jahr 2006 scheint sich der Bestand des Großen Brachvogels auf niedrigem Niveau zu stabilisieren, wobei sich der typische Wiesenvogel weiter aus der Fläche zurückzieht. Die Bestände in den Kernflächen, wie dem Königsauer Moos (mit 65 Brutpaaren), dem Flughafen München (mit 58 Paaren) und den Pfäfflinger Wiesen (mit immerhin noch 41 brütenden Paaren), haben eher zugenommen. Ähnlich ist die Situation beim Wiesenpieper, der sich aus rund 20 % der ehemals besiedelten Fläche zurückgezogen hat. Gleichzeitig nahmen die Bestandszahlen seit 2006 um rund 20 % ab, was im Bericht aufgrund zusätzlicher Erhebungen in der Rhön nicht auf Anhieb zu erkennen ist. 129 durch rufende Männchen aktuell dokumentierte Reviere des Wachtelkönigs lassen die Annahme zu, dass sich der Bestand dieses heimlichen Vogels ebenfalls auf niedrigem Niveau stabilisiert hat.
Der Negativtrend bei der Uferschnepfe und der Bekassine setzte sich ungebremst fort. Von 2006 bis 2014 hat sich der Schnepfen-Bestand um ein Drittel auf nur 24 Brutpaare reduziert. Dabei gelang es den Gebietsbetreuern immerhin, in der Regentalaue 6 Brutpaare zu halten, die 11 flügge Jungvögel erbrüten konnten, während im wichtigsten Uferschnepfen-Gebiet Bayerns (Wiesmet) kein Jungvogel überlebte. Von der Bekassine wurden bayernweit 257 Brutpaare registriert. Auch der Bestand des Rotschenkels nahm weiter ab und umfasste 2014 nur noch 6 Brutpaare, mit 7 flüggen Jungvögeln.
Der Brutbestand des Braunkehlchens hat sich im Vergleich zu 2006 – bereinigt um zwei zentrale Gebiete, die 2014 nicht kartiert wurden – um etwa ein Drittel auf 335 Brutpaare verringert. Zentrale Vorkommen finden sich am Ammersee-Südufer und südlich des Chiemsees mit 44 beziehungsweise 40 Brutpaaren. Durch eine Ausweitung der Kartierung gelangen 2014 insgesamt etwas mehr Brutnachweise des Kiebitzes in Bayern als 2006 (2.252 gegenüber 2.104 Paaren), doch es ist von einem starken Bestandsrückgang auszugehen. In den erneut kartierten Wiesenbrütergebieten wurden 2014 zirka 21 % weniger Kiebitzpaare nachgewiesen als noch 2006.
In einer zweiten Kartiersaison 2015 werden noch bestehende Kartierungslücken geschlossen und Vergleichskartierungen durchgeführt. Damit wird es auch möglich werden, die Ergebnisse von 2014 besonders in Bezug auf das extrem trockene Frühjahr besser bewerten zu können. Der bisherige Bericht ist „nur“ ein Zwischenbericht.
Mehr:
Bayerisches Landesamt für Umwelt (Hrsg.; 2015): 6. landesweite Wiesenbrüterkartierung in Bayern 2014/2015 – Ergebnisse des Untersuchungsjahres 2014. – Broschüre, Augsburg: 103 S.; www.bestellen.bayern.de/shoplink/lfu_nat_00306.htm.
Homepage des Artenhilfsprogramms Wiesenbrüter am Bayerischen Landesamt für Umwelt: www.lfu.bayern.de/natur/artenhilfsprogramme_voegel/wiesenbrueter/.
Zitiervorschlag: Zehm, A. (2015): Situation bayerischer Wiesenbrüter weiter kritisch. – ANLiegen Natur 37/1, S. 17–18; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/wiesenbrueter/.