Windenergie und Artenschutz sind miteinander vereinbar
(Lea Bulling) Der Ausbau der Windenergie verfolgt neben der Sicherstellung der Energieversorgung auch das Ziel, das Klima zu schützen. Damit hat diese regenerative Energiequelle „indirekt“ erhebliche Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt. Doch die Gewinnung von Windenergie kann mit dem Artenschutz kollidieren. Eine aktuelle Studie zeigt nun, dass es eine Vielzahl von Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Arten beim Ausbau der Windenergie gibt, deren Wirksamkeit allerdings unterschiedlich zu bewerten ist.
Da das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) die Tötung oder erhebliche Störung besonders und/oder streng geschützter Tierarten nach § 44 Absatz 1 BNatSchG verbietet, ist die Errichtung von Windenergieanlagen (WEA) nicht erlaubt, wenn sich das Tötungsrisiko signifikant erhöht oder eine Störung den Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Vor diesem Hintergrund wurden in der Studie „Vermeidungsmaßnahmen bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen“ in Zusammenarbeit der TU Berlin, der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) und der Universität Münster verschiedene Ansätze zum Artenschutz an Windenergieanlagen untersucht. Klima- und Artenschutzinteressen stehen sich vor allem dann gegenüber, wenn durch die Windenergienutzung gefährdete Vogel- und Fledermausarten einem erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt werden. Dies kann geschehen, wenn die Inanspruchnahme von Räumen erforderlich wird, in denen WEA-sensible Arten (vermehrt) vorkommen. Vor diesem Hintergrund können etablierte Vermeidungsmethoden helfen, Windenergieanlagen auch in konfliktträchtigeren Bereichen zu ermöglichen und so den Ausbau der Windenergie mit dem Artenschutz besser zu vereinbaren.
Grundlage für den natur- und umweltverträglichen Ausbau der Windenergie ist eine sorgfältige Standortwahl. So kann vermieden werden, dass Windparks in der Nähe von Rast- und Brutplätzen störungssensibler Arten oder in Zugkorridoren kollisionsgefährdeter Vogelarten errichtet werden. Dennoch lässt sich nicht ausschließen, dass geschützte Tiere durch den Betrieb von Windenergieanlagen gestört oder getötet werden. Wird eine Vermeidungsmaßnahme notwendig (siehe Abbildung), ist ihre Ausgestaltung im Einzelfall abhängig von der betroffenen Art und dem Naturraum. Beispielsweise kann das Anlagendesign oder die Anlagengröße einen Einfluss auf das Gefährdungspotenzial einer WEA haben. Auch die landwirtschaftliche oder landespflegerische Nutzung der Flächen kann so gestaltet werden, dass die Jagdaktivität von Greifvögeln im unmittelbaren Anlagenumfeld gesenkt und in sicherer Entfernung zu den Anlagen, zum Beispiel durch angepasste Mahd oder Luzerneanbau, die Attraktivität etwa für den Rotmilan gesteigert wird. Darüber hinaus hat sich im Betrieb auch das kurzzeitige nächtliche Abschalten der Rotoren bewährt, um Fledermaus-Kollisionen zu verringern. Weitere Maßnahmen können die räumliche Anordnung der Windräder sein oder die akustische „Vergrämung“ der Tiere durch Schall.
Sowohl der aktuelle wissenschaftliche Erfahrungsschatz als auch der Umsetzungsgrad in der Praxis variiert zwischen den unterschiedlichen Maßnahmen stark. Darüber hinaus können auch in den Bundesländern Unterschiede in der Ausgestaltung der Ansätze festgestellt werden. So variiert beispielweise die empfohlene Dauer einer Betriebspause nach landwirtschaftlicher Bewirtschaftung der umliegenden Fläche. Um Greifvögel bei der Nahrungssuche zu schützen wird in Nordrhein-Westfahlen und Rheinland-Pfalz eine Abschaltung an den drei folgenden Tagen nach Bewirtschaftung empfohlen, während in Bayern an zwei Tagen Betriebsruhe herrscht.
Der in der Studie enthaltene Katalog von Vermeidungsmaßnahmen bietet Lösungsvorschläge für Konflikte zwischen Artenschutz und Windenergienutzung. Er trägt den derzeitigen Wissensstand aus internationaler und nationaler Literatur zusammen und wurde durch Experteninterviews sowie die Auswertung einschlägiger Rechtsprechung ergänzt. Die Studie zeigt aber auch, dass es weiterhin erheblichen Forschungsbedarf gibt.
Bedeutung für die Praxis
Im Rahmen der Planung und Genehmigung von Windenergievorhaben sind Vermeidungsmaßnahmen sowohl fachlich als auch rechtlich anerkannt. Es gibt jedoch auch Maßnahmenoptionen, für die Kenntnislücken hinsichtlich ihrer Wirksamkeit verbleiben. Hier ist eine sorgfältige Plausibilitätsprüfung der Naturschutzbehörden angezeigt. Das in der Studie entwickelte Prüfschema kann für artenschutzrechtliche Beurteilungen in Genehmigungsverfahren nach § 4 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz als Hilfestellung dienen.
Mehr:
Bulling, L., Sudhaus, D., Schnittker, D., Schuster, E., Biehl, J. & Tucci, F. (2015): Vermeidungsmaßnahmen bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen. Bundesweiter Katalog von Maßnahmen zur Verhinderung des Eintritts von artenschutzrechtlichen Verbotstatbeständen nach § 44 BNatSchG. – TU Berlin, FA Wind & WWU Münster: 120 Seiten; http://fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/FA-Wind_Studie_Vermeidungsmassnahmen_10-2015.pdf.
Zitiervorschlag: Bulling, L. (2015): Windenergie und Artenschutz sind miteinander vereinbar. – ANLiegen Natur 37/2; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/windenergie/.