Wölfe in Deutschland: Bundesweite Stelle berät Behörden und Bürger
(MO) Der Wolf, europaweit vom Aussterben bedroht und daher streng geschützt, kehrt nach Deutschland zurück. Um das Management dieses großräumig agierenden Beutegreifers über Ländergrenzen hinweg zu koordinieren, hat der Bund zum 1. Januar 2016 eine „Dokumentations- und Beratungsstelle Wolf“ eingerichtet. Sie soll deutschlandweit Daten zur Ausbreitung von Canis lupus sammeln und sowohl die Bevölkerung, als auch die Landesbehörden bei allen Fragen rund um den Wolf beraten.
„Deutschland ist wieder ein Wolfsland. Das ist ein großer Erfolg für uns Naturschützer. Aber es ist auch eine große Herausforderung, weil das Nebeneinander von Mensch und Wolf vielerorts erst wieder neu erlernt werden muss“, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendrick anlässlich der Eröffnung des neuen Wolfs-Beratungszentrums, und weiter: „Wir stellen den Ländern damit Deutschlands beste Wolfs-Experten schnell und unbürokratisch zur Verfügung. Denn der Wolf kennt keine Ländergrenzen. Und die Erfahrung zeigt: Je mehr man über den Wolf weiß, desto weniger Probleme gibt es“. Tatsächlich hat der Wolf in Deutschland wieder eine Heimat gefunden: Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 31 Wolfsrudel sowie acht Wolfspaare und sechs sesshafte Einzelwölfe gezählt. Die meisten Tiere, nämlich zehn Rudel und ein Einzeltier, leben in Sachsen. Die übrigen Wölfe verteilen sich auf Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Niedersachsen. Vereinzelt streifen auch in Bayern und einigen weiteren Bundesländern Wölfe umher, ohne bislang Reviere gegründet zu haben.
Ein typisches Wolfsrudel besteht aus den beiden Elterntieren und deren Nachkommen der letzten zwei Jahre. Jedes Rudel beansprucht ein eigenes Territorium, das es gegen Artgenossen verteidigt. Daher ist die Zahl der Rudel und damit der Wölfe, die in einem Gebiet leben können, begrenzt. Die Jungwölfe verlassen ihre Eltern meist im Alter von 10 bis 22 Monaten, um ein eigenes Rudel zu gründen. Als ausdauernde Läufer legen sie mühelos viele Kilometer im Trab zurück. Modellrechnungen zufolge könnten sich – bei einer Reviergröße von 200 Quadratkilometern und Ausschöpfung des gesamten für Wölfe geeigneten Lebensraums – maximal 440 Wolfsrudel in Deutschland ansiedeln. Wie Untersuchungen in Nordamerika und Europa zeigen, greifen die Raubtiere nur extrem selten Menschen an, und auch dann nur unter speziellen Umständen, zum Beispiel wenn die Tiere mit Tollwut infiziert sind oder infolge von Fütterungen ihre angeborene Scheu vor Menschen verloren haben.
Hierzulande erbeuten Wölfe hauptsächlich Rehe, Rothirsche und Wildschweine oder, wo sie vorkommen, auch Damhirsche und Mufflons. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass sich unsere hiesigen Wölfe zu 97 Prozent von Wild ernähren; dabei töten sie neben Jungtieren vorzugsweise alte und kranke Individuen. Allerdings reißen sie auch Haustiere, insbesondere Schafe und Ziegen. Erfahrungen aus Ostdeutschland zeigen, dass sich diese Übergriffe durch geeignete, jedoch durchaus zeit- und teils kostenaufwendige Herdenschutzmaßnahmen (Nachtpferch, Einsatz von Herdenschutzhunden, spezielle Elektrozäunung) deutlich reduzieren lassen. Sachsen betreibt als Bundesland mit den größten Wolfsvorkommen bereits seit 2002 ein professionelles Wolfsmanagement, das Konflikte im Nebeneinander von Wolf und Mensch vermeiden und verringern soll. Es umfasst im Wesentlichen drei Aspekte: Erstens werden die Wölfe mit standardisierten Methoden erfasst und ihre Ausbreitung dokumentiert. Zweitens erfolgt eine regelmäßige und umfassende Information der Öffentlichkeit. Drittens bemüht man sich, Schäden an Nutztieren vorzubeugen und, sofern sie dennoch vorkommen, zu kompensieren.
Angeregt durch die Erfahrungen in Sachsen, haben mittlerweile zwölf Bundesländer WolfsManagementpläne erarbeitet sowie entsprechende Leitlinien, Konzepte oder Leitfäden veröffentlicht. Im Jahr 2014 wurden von den Bundesländern mit Wolfsvorkommen insgesamt etwa 54.000 Euro für die Kompensation von Schäden ausgegeben, bei denen ein Wolf als Verursacher nachgewiesen oder nicht ganz ausgeschlossen werden konnte. Wissenschaftlich begleitet wird die Rückkehr des Wolfes und anderer großer Beutegreifer wie Luchs und Braunbär bislang durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) in Bonn. Am 1. Januar 2016 hat der Bund eine „Dokumentations- und Beratungsstelle Wolf“ eingerichtet, die als Anlaufstelle für die Bundesländer und als Dokumentationsstelle für die Aufgaben des Bundes konzipiert ist. Getragen wird das Beratungszentrum von einem Konsortium aus mehreren Fach-Institutionen: Unter der Führung der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung arbeiten darin das Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitz, das LUPUS Institut für Wolfsmonitoring und -forschung in Deutschland, das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung Berlin sowie das Senckenberg Forschungsinstitut im hessischen Gelnhausen zusammen. „Alle Einrichtungen verfügen über langjährige wissenschaftliche und praktische Erfahrung in der Arbeit mit den Wölfen in Deutschland. Hier bauen international ausgewiesene Experten eine wissenschaftsbasierte und anwendungsorientierte Dokumentations- und Beratungsstelle auf“, betont der Generaldirektor der Senckenberg-Gesellschaft, Prof. Mosbrugger.
Mit der neuen Beratungsstelle kommt die Bundesregierung einer Bitte der Länder nach. Sie soll die Naturschutzbehörden von Bund und Ländern mit aktuellen Informationen zum Wolf versorgen. Außerdem soll sie bei schwierigen Fällen helfen und zur Koordination und Konfliktlösung beitragen. Sie liefert bei Bedarf wissenschaftliche Beratung zu bestimmten Fällen des WolfsManagements. Darüber hinaus sollen sich auch interessierte Bürgerinnen und Bürger über das Wolfsmanagement in Deutschland informieren können; eine entsprechende Internetseite wird derzeit eingerichtet.
Mehr:
Kaczensky, P. et al. (2009): Monitoring von Großraubtieren in Deutschland. – BfN-Skripten 251; www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Skript251.pdf.
Reinhardt, I. (2015): Standards for the monitoring of the Central European wolf population in Germany and Poland. – BfN-Skripten 398; http://www1.nina.no/lcie_new/pdf/635678468489223445_2015%20Joint%20Wolf%20Monitoring%20Standards%20DEPL_BfNSkript398.pdf.
Schmitz, J., Hahn, M. & Brühl, C. (2014): Agrochemicals in field margins – An experimental field study to assess the impacts of pesticides and fertilizers on a natural plant community. – Agriculture, Ecosystems and Environment 193: 60–69;www.dx.doi.org/10.1016/j.agee.2014.04.025.
Reinhardt, I. (2013): A review of wolf management in Poland and Germany with recommendations for future transboundary collaboration. – BfN-Skripten 398; www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/artenschutz/pdf/Skript356.pdf.
Reinhardt, I.& Kluth, G. (2007): Leben mit Wölfen. Leitfaden für den Umgang mit einer
konfliktträchtigen Tierart in Deutschland. – BfN-Skripten 201; www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript201.pdf.
Praktische Informationen und Ratschläge finden Bürgerinnen und Bürger in dem 2015 aktualisierten Faltblatt „Wenn Sie einem Wolf begegnen“; www.wolfsregion-lausitz.de.
Eine Übersicht über die Situation der Wölfe in Deutschland gibt das Bundesamt für Naturschutz BfN; www.bfn.de/fileadmin/BfN/presse/2016/Dokumente/Wolf_Hintergrundpapier_barrierefrei.pdf.
Eine Deutschlandkarte zeigt die Wolfsvorkommen im Monitoring-Jahr 2014/15; www.bfn.de/fileadmin/BfN/presse/2016/Dokumente/Wolf_Verbreitungskarte_barrierefrei.pdf.
Zitiervorschlag: Offenberger, M. (2016): Wölfe in Deutschland: Bundesweite Stelle berät Behörden und Bürger – ANLiegen Natur 38/1; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/wolfsberatungszentrum/.