Zugriffsverbote und Ausnahmen im Artenschutzrecht am Beispiel der Zauneidechse
(Paul-Bastian-Nagel) Im „Recht der Natur – Schnellbrief 184“ greift A. LUKAS den Umgang mit der streng geschützten Zauneidechse in der Planungspraxis auf. Da die Zauneidechse weit verbreitet ist, die Bestände oft unterschätzt werden und Tötungen und Störungen durch die Unscheinbarkeit der Lebensräume bei Baumaßnahmen schnell eintreten können, wird der Zauneidechse ein hohes artenschutzrechtliches Konfliktpotential zugesprochen. Der nun erschienene zweite Teil des Aufsatzes widmet sich den Zugriffsverboten, Vermeidungsmaßnahmen und Ausnahmen, nachdem im ersten Teil die Bestandserfassung von Zauneidechsen behandelt wurde.
Für streng geschützte Arten nach Anhang IV der Fauna-Flora-Habitate-Richtlinie gelten die Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Der Autor ist der Auffassung, dass selbst Maßnahmen zur Vermeidung des Eintritts der Verbote ihrerseits geeignet sind, die Tatbestände zu erfüllen. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden könne, dass durch die Maßnahmen Zauneidechsen getötet oder verletzt werden. Dabei sei nicht maßgeblich, dass eine Verletzung oder Tötung von Individuen bei entsprechenden Maßnahmen nicht beabsichtigt ist und hierbei die Vermeidung größere Beeinträchtigungen der Art im Vordergrund stehe. Vielmehr sei entscheidend, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass beispielsweise durch Umsiedlung, Vergrämung oder Mahd einzelne Zauneidechsen zu schaden kommen.
Im Anschluss stellt LUKAS die rechtlichen Anforderungen an die Maßnahmenplanung dar. Dabei wird insbesondere auf den nach § 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG notwendigen räumlich-funktionalen Zusammenhang bei Umsiedlungsmaßnahmen und die Mindestgrößen von Ersatzhabitaten eingegangen. Zusammenfassend werden fachliche Kernanforderungen für die Realisierung von funktionserhaltenden Maßnahmen (sogenannte CEF-Maßnahmen) dargestellt:
- Die Ersatzhabitate müssen mindestens 1 ha groß sein,
- es müssen Reserveflächen in der Zeit des Monitorings gleicher Größe für fünf bis sechs Jahre bereitgestellt werden sowie
- die maximale Entfernung der Ersatzhabitate zum Eingriffsort darf 500 m nicht überschreiten.
LUKAS schließt damit, dass regelmäßig eine Ausnahmeerteilung nach § 45 Abs. 7 BNatSchG bei der Durchführung von Maßnahmen zur Konfliktbewältigung in Verbindung mit Zauneidechsen erforderlich sei, wenn eine Tötung oder Verletzung einzelner Individuen nicht vollständig ausgeschlossen werden könne. Soweit, wie bei der Zauneidechse, der Erhaltungszustand als nicht günstig eingestuft wird, müsse der Nachweis erbracht werden, dass der Eingriff die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes nicht behindere.
Die Auffassung des Autors hat eine hohe praktische Relevanz, denn fast bei allen Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz der Zauneidechse kann nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass zumindest einzelne Tiere verletzt werden, was § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG verbietet. Hieraus ergäbe sich für die Naturschutzbehörden ein erheblicher Mehraufwand, nicht nur in Bezug auf die Beurteilung, ob die Maßnahmen fachlich geeignet sind, sondern besonders auch dahingehend, die Ausnahmevoraussetzungen für jede einzelne Maßnahme sachgerecht zu überprüfen. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob eine Genehmigungspraxis, die auf die Erteilung von Ausnahmen begründet ist, vom Gesetzgeber intendiert ist. Die artenschutzrechtliche Ausnahme würde so in Genehmigungsverfahren, in denen Zauneidechsen betroffen sein können, mehr und mehr zur Regel.
Mehr:
LUKAS, A. (2014): Die Zauneidechse in der Planungspraxis, Teil 2: Zugriffsverbote und Ausnahmen. – Recht der Natur, Schnellbrief 184: 80-83, ISSN 0946-1671;
www.idur.de/html/nr_-184.html.
Eine Zusammenfassung des ersten Teils ist abrufbar unter:
www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/?p=146.
Zitiervorschlag: Zehm, A. & Nagel, P.-B. (2014): Artenschutzrecht am Beispiel der Zauneidechse. – ANLiegen Natur 36/2, S. 90–91; www.anl.bayern.de/publikationen/anliegen/meldungen/wordpress/zugriffsverbote/.