Strukturen für Wildbienen in der landwirtschaftlichen Flur

Viele Wildbienenarten sind inzwischen gefährdet. Dabei reichen oft kleine Flächen mit den richtigen Strukturen für ihr Überleben. Wir zeigen hier einige Elemente, mit denen die landwirtschaftliche Flur (wieder) zum Wildbienenparadies aufgewertet werden kann.



#1 Ackerwildkräuter

Funktion

Nektar- und Pollenquelle

Qualitätsmerkmale

Hohe Vielfalt an Pflanzenfamilien

Regionale Anpassung an Klima, Boden und Fruchtfolgen

Kontinuierliches Nahrungsangebot

Beispiele für spezialisierte/gefährdete Arten

Mohnbiene (Osmia papaveris), Ehrenpreis-Sandbiene (Andrena viridescens), Buckel-Seidenbiene (Colletes daviesanus)

Anlage

Verschiedene Varianten sind möglich:

  • Aufkommende Ackerwildkräuter auf Schwarzbrachen zulassen, möglichst auf ertragsschwachen Standorten mit Ackerwertzahlen kleiner als 40 (-50)
  • Drei bis zehn Meter breite Streifen ohne Herbizid und Mineraldünger oder ein bis zwei Meter kulturfreie Ränder im biologischen Anbau
  • Geringere Ansaatstärke (zum Beispiel doppelter Reihenabstand)
  • Vorhandenes Samenpotenzial erwünschter Ackerwildkräuter (beispielsweise Acker-Senf, Zottel-Wicke, Acker-Winde oder echte Kamille) nutzen
  • Material aus der Saatgutreinigung artenreicher, benachbarter Felder zusätzlich einsäen (jedoch vermeiden, wenn dort problematische Arten auftreten)

Warnhinweis: Stark wüchsige Standorte (AWZ größer als 50) mit Vorkommen von problematischen Arten (Quecke, Ackerkratzdistel) meiden!

Pflege

Umbruch so spät wie möglich, eventuell auch 1- bis 3-jährige Brachen.

Fruchtfolge so wählen, dass immer mindestens ein Wintergetreidefeld mit Ackerwildkraut-Streifen existiert.




#2 Blühflächen

Funktion

Nektar- und Pollenquelle

Qualitätsmerkmale

Ackerwildkrautschutz hat Vorrang

Mindestens 3-jährig (besser noch länger) oder mit neuen Blühflächen in direkter Nähe

Pflanzenarten für spezialisierte Wildbienen einbringen

Beispiele für spezialisierte/gefährdete Arten

Andrena nitidiuscula, Andrena rosae auf Doldenblütlern

Andrena humilis, Osmia spinulosa, Osmia leaiana, Osmia niveata auf Korbblütlern

Andrena nasuta,Osmia anthocopoides, Andrena symphyti auf Rauhblattgewächsen

Andrena agilissima, Andrena distinguenda, Andrena suerinensis, Osmia brevicornis auf Kreuzblütlern

Andrena hattorfiana, Andrena marginata auf Kardengewächsen

Viele gefährdete Bauchsammler auf Schmetterlingsblütlern

Anlage

  • Boden fräsen oder vorbereiten wie zur Ackernutzung. Wachsen bereits Gräser auf der Fläche, dann sollte der Boden mehrfach bearbeitet werden.
  • Mischungen mit mindestens 25 gebietsheimischen, primär ein- und mehrjährigen Kräutern mit verschiedenen Blühzeiten
  • Keine Gräser mit einsähen
  • Die sechs wichtigsten Pflanzenfamilien für Wildbienen sollten mindestens enthalten sein: Korbblütler, Kreuzblütler, Lippenblütler, Schmetterlingsblütler, Doldenblütler und Glockenblumengewächse.
  • Aus jeder Familie sollten früh- und spätblühende Arten enthalten sein

Pflege

Im ersten Jahr hoher Schnitt, bevor spontan aufkommende Arten deutlich „überkniehoch“ werden.

Ab dem zweiten Jahr die Hälfte der Fläche Ende Juni mähen, die ganze Fläche dann im Herbst mähen.

Teilflächen mit hohen Stauden 3 Jahre lang nicht mähen.




#3 Extensiv genutztes Grünland

Funktion

Nahrung

Nistplatz

Qualitätsmerkmale

Oft flachgründig, kalkreich oder sandig

Blütenreich: viele krautige Arten

Kleinklimatische, warme Verhältnisse

Geringe Nutzungsintensität (1- bis maximal 3-schürige Mahd)

Kleinstrukturen in der Umgebung (unbefestigte Wege, Hecken, Gehölze, Waldränder, Offenbodenstellen)

Beispiele für spezialisierte/gefährdete Arten

Andrena curvungula, Dufourea dentiventris und D. inermis, Hoplitis mitis auf Glockenblumengewächsen,

Andrena hattorfiana auf Kardengewächsen,

Hoplitis villosa (montane Art auf Körbblütlern)

Anlage

Intensivwiesen aushagern (dauert mehrere Jahre bis Jahrzehnte): weniger düngen, am besten mit Mist oder für einige Jahre komplett aussetzen, maximal drei Schnitte im Jahr.

Sind Wiesen auch nach dem Aushagern artenarm, kann sich eine (streifenweise) Mahdgutübertragung anbieten:

  • Boden vorbereiten und mehrfach fräsen
  • Artenreiche Spenderfläche doppelt so groß wie Empfängerflächen wählen
  • Übertrag Mitte Juli direkt nach Mahd auf gefräste Empfängerfläche
  • Mahdgut einige Tage heuen lassen, anschließend anwalzen

Pflege

Düngung gering und organisch halten (weniger als 50 kg Stickstoff/ha und Jahr, am besten ist Mist)

Angesäte Teile gut pflegen, um Probleme mit Ampfer und Co. zu vermeiden

Ein bis drei Schnitte im Jahr Abstand von mindestens 8 Wochen zwischen den Nutzungen

Staffelmahd: 10 bis 20 % der Fläche bei jeder Mahd stehen lassen




#4 Vegetationsarme Flächen

Funktion

Nistplatz

Qualitätsmerkmale

Offene horizontale oder leicht geneigte Bodenstellen

Sonnenexponiert

Beispiele für typische Arten

Sandbienen, Furchenbienen, Schmalbienen, Seidenbienen

Osmia-Arten bei Schneckenhäusern

Anlage

  • Feldsäume, Zwickelflächen oder abgeflachte Grabenböschungen schaffen oder nutzen und aushagern, von Vegetation befreien oder regelmäßig befahren
  • Bereits schmale Streifen von 1 m werden von den Bienen als Neststandort genutzt
  • Auf Weiden feste Zäune nutzen: es entstehen kurzrasige Streifen mit Offenboden. Die Bienen nutzen sowohl den Boden als auch alte Zaunpfosten als Niststandorte
  • Magere Standorte stellenweise von Bewuchs befreien oder 2 bis 3 m breite Rohbodenstreifen anlegen
  • Grasnarbe, Beton, Asphalt an geeigneten ungenutzten Standorten abtragen

Zusätzlich

  • kleine Steinstrukturen auslegen, um Pflanzen zurückzudrängen
  • leere Schneckenhäuser auslegen (Nistplatz für Osmia-Arten)

Pflege

Starken Bewuchs und Verbuschung vermeiden; Boden offenhalten (mähen, regelmäßige Bodenverwundungen, befahren, beweiden)

Keine Herbizide und Pestizide, auf Dünger verzichten




#5 Unbefestigte Wege, Weg- und Feldränder

Funktion

Nistplatz

Nahrung

Vernetzung

Qualitätsmerkmale

  • Saum breiter als 3 m
  • Straßen nur gering befahren
  • Lückiger Bewuchs
  • Blütenreich

Anlage

  • Schmale, ungenutzte Flächen und Böschungen an Feld- und Wegrändern zulassen. Ein Meter reicht oft schon, damit Bienen hier ihre Nester anlegen können
  • Teilweise Offenboden oder lückigen Bewuchs fördern:
    • Von der Düngung aussparen
    • Teilbereiche mit Frontlader abziehen
    • Gelegentlich befahren
  • Bei angrenzendem Acker: Ackerwildkrautstreifen anlegen beziehungsweise zulassen
  • Wo sinnvoll und nötig, Samen von blühenden Ruderal- und Pionierpflanzen für spezialisierte Wildbienen ausbringen. Hinweise zu geeigneten Pflanzenfamilien finden Sie auch unter Blühflächen.
  • Bei angrenzenden Weiden: Feste Zäune nutzen, damit kurzrasige Streifen mit Ofenboden direkt am Zaun und ungenutzte oder nur einmal gemähte, blüten- und staudenreiche Streifen außerhalb des Zauns entstehen

Pflege

  • Nicht düngen
  • 0 bis zweimal im Jahr mähen, bevorzugt abschnittsweise
  • Schnittgut entfernen
  • Unbefestigte Wege erhalten. Ausbessern wo möglich mit hohem Anteil von kleinen Korngrößen. Auf groben Schotter, Kies oder gar Asphalt verzichten



#6 Böschungen, Abbruchkanten und Vertikale Erdaufschlüsse

Funktion

Nistplatz

(Nahrung)

Qualitätsmerkmale

Sand, Lehm oder Löss

Mager

Sonnenexponiert

Trocken

Beispiele für spezialisierte/gefährdete Arten

Vierbindige Furchenbiene (Halictus quadricinctus), Blauschillernde Sandbiene (Andrena agilissima), Lasioglossum quadrinotatulum, Vierfleck-Pelzbiene (Anthophora quadrimaculata), Lamellen-Maskenbiene (Hylaeus hyalinatus)

Anlage

Frische Böschungen aufschütten, Hohlwege zulassen und nutzen

Bewuchs an sonnenexponierten Böschungen oberflächlich entfernen und/oder aushagern

Steilwände an Abbaustellen sich selbst überlassen

Störstellen selber schaffen: Mit Spaten oder Traktorschaufel Erde an sonnigem Hang entnehmen (mindestens 30 cm hoher Aufschluss)

Sand- und Lehmhaufen anlegen; kompakten Hügel mit feinem, lehmhaltigem Sand (Handtest) oder Erdhaufen mit etwa 30 % Sandanteil an besonnten, trockenen Standorten aufschütten

Pflege

Beschattende Pflanzen und Sträucher entfernen

Störstellen/Abbruchkanten immer wieder nutzen/betreten/befahren

Auf Weiden scheuern sich Rinder und Ziegen gerne an Lehm- und Sand-Wänden oder steilen Lehmhügeln und halten sie so vegetationsfrei




#7 Lesesteinhaufen und Trockenmauern

Funktion

Nistplatz

(Nahrung)

Qualitätsmerkmale

Warmes Mikroklima

Fugen mit Erde gefüllt

Beispiele für spezialisierte/gefährdete Arten

Osmia anthocopoides, O. ravouxi bei Vertiefungen von Steinen

Megachile centuncularis, M. versicolor bei Mauerritzen

Lasioglossum laticeps, L. nitidulum, L. punctatissimum bei erdgefüllten Fugen

Anthidium manicatum bei Hohlräumen zwischen den Steinen

Bombus lapidarius bei Hohlräumen hinter der Mauer

Anlage

Aufbau mit Lese- oder Naturstein

Auffüllen der Fugen mit Erdboden oder einem Erde-Sandgemisch, nicht mit Mörtel

Eventuell während des Baus Pflanzen in die Mauer setzen

Pflege

Steinhaufen, die überwuchert werden, von der Vegetation befreien, ansonsten der natürlichen Vegetationsentwicklung überlassen; Trockenmauern und ihre tiefen, mit Erde gefüllten Fugen erhalten




#8 Hecken sowie Hecken- und Waldsäume

Funktion

Nahrung

Nistplatz

Nistmaterial

Qualitätsmerkmale

Breiter Kraut- und Staudensaum

Südost-/südwestexponierte Ränder

Vegetationsfreie Stellen oder Bodenanrisse

Trockene Brombeer-, Himbeer-, Holunderstängel, Totholz

Sand- und Steinhaufen

Angrenzend extensives Grünland

Fließender Übergang zwischen den Zonen

Struktur- und blütenreiches Umfeld

Beispiele für spezialisierte/gefährdete Arten

Glanzbiene (Dufourea dentiventris)

Sägehornbienenart Melitta haemorrhoidalis und die Mauerbienenart Osmia leucomelana, auch als Wirt der Düsterbienenart Stelis ornatula

Andrena lathyri und Eucera longicornis (beide besonders gerne an Zaunwicke)

Maskenbienenarten Hylaeus brevicornis und H. communis

Sandbienenarten Andrena bicolor, A. chrysosceles und A. haemorrhoa, auch als Wirte der Wespenbienenarten Nomada fabriciana und N. bifida

Viele Hummelarten

Anlage

Pflanzung im Herbst oder über die Jahre selbst aufkommende Gehölze zulassen

Gehölzstreifen mindestens 3,5 m breit, Saum in mindestens gleicher Breite

Standortgerechte Gehölze

Zonierung:

  • Krautzone: breiten Streifen mit einheimischen Wiesen-/Wildblumen anlegen, dazwischen truppweise Zwergsträucher. Standorttypische Pflanzen (am besten Mahdgut) verwenden.
  • Strauchzone: niedrig wachsende Sträucher 3 bis 5 m hoch; große Vielfalt; vereinzelte oder truppweise Pflanzung blühender Sträucher (zum Beispiel Blutroter Hartriegel, Pfaffenhütchen oder Rosen) aber auch strauchartige Weidenarten als Frühblüher (beispielsweise Korb-Weide, Purpur-Weide, Lorbeer-Weide) mit Lücken für Pflanzen der Krautzone
  • Baum- und Strauchzone: höhere Sträucher und kleine Bäume bis 15 m hoch; Lichtbaumarten wie Vogelbeere, Sal- und Bruchweiden, Holzapfel, Mehlbeere, Vogelkirsche, Bergahorn, Esche, Weiden, Schlehe, Hasel, Weißdorn mit großzügigem Abstand pflanzen, mit Sträuchern auffüllen oder unbepflanzte Stellen erhalten

Offene, sonnige Bodenstellen schaffen, großes Totholz und Sandhügel integrieren

Eventuell auf nährstoffreichem Boden in den ersten Jahren zwischen den Sträuchern mähen

Pflege

Möglichst der natürlichen Entwicklung überlassen

Bei Bedarf maximal einmal pro Jahr ab Anfang August mähen um die Ausbreitung von Gehölzen zu verhindern, einen strukturreichen Saum und offene Bodenstellen zu erhalten. Dabei auch immer wieder Buchten zwischen die Sträucher mähen/schlagen.

Balkenmäher verwenden (auf Kreiselmäher oder Schlegelhäcksler verzichten)

Teil der Saumfläche stehen lassen und periodisch Standort wechseln

Sträucher alle 10 bis 15 Jahre abschnittsweise auf den Stock setzen




#9 Feuchte Standorte für Spezialisten

Funktion

Nahrung

(Nistplatz)

Biotopvernetzung

Qualitätsmerkmale

Blütenreich (Bunte Hochstaudenfluren)

Niststrukturen in der Umgebung (Hecken, Totholz, Trockenstandorte)

Gewässerböschungen mit Randstreifen oder Hecken

Lückiges Landschilf

Beispiele für spezialisierte/gefährdete Arten

Macropis europaea, M. fulvipes, Melitta nigricans und regional Eucera salicariae in Bereichen mit Gilb- und Blutweiderich.

Hylaeus pectoralis, H. moricei und H. pfankuchi oder auch Megachile centricularis und M. versicolor in (Land-)Schilf(-gallen).

Anlage

Gewässerrandstreifen idealerweise von mehreren Metern Breite mit Wiesenarten und Hochstauden nicht nutzen

Hochstaudenflur (Echtes Mädesüß, Blutweiderich, Gewöhnlicher Gilbweiderich, Zottiges Weidenröschen, Sumpf-Storchschnabel, Sumpf-Ziest, Gemeiner Baldrian) entwickeln lassen, Landschilf zulassen

Pflege

Gewässerrandstreifen nur bei Bedarf (Verbuschen, Verfilzen, Nitrifizierung) mähen

Hochstaudenfluren, wenn überhaupt, im Herbst und nur auf Teilflächen mähen

Landschilf in Teilflächen rotierend alle vier Jahre mähen





nach oben