Ökologisches Seenmanagement – Stoffeinträge reduzieren durch Einzugsgebietsmanagement
Fachliche Grundlagen
Die Hälfte aller in der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) erfassten Seen in Bayern verfehlen den guten ökologischen Zustand. Neben punktuellen Einträgen zum Beispiel aus Kläranlagen stammen die Nährstoffeinträge vor allem aus diffusen Quellen aus der Landwirtschaft. Ursachenbekämpfung statt Symptombehandlung war daher das Motto für die Fachtagung vom 12. bis 13. Juli in Traunstein, bei der Behördenvertreter der Landwirtschaft, der ländlichen Entwicklung, der Wasserwirtschaft sowie des Naturschutzes, Planer, Bürgermeister und Mitarbeiter von Umweltverbänden über Konzepte und Maßnahmen des Einzugsgebietsmanagements diskutierten.
Dr. Jochen Schaumburg, am Landesamt für Umwelt verantwortlich für die Ökologie der Seen, stellte die biologischen und chemisch-physikalischen Messprogramme der WRRL vor, die zur Bewertung des ökologischen Zustands bzw. des ökologischen Potentials führen. An durchschnittlich 8 Messstellen im Uferbereich werden biologische Qualitätskomponenten wie höhere Wasserpflanzen oder Schwebalgen untersucht. Die Bewertungskarten sind entsprechend differenziert und erlauben Rückschlüsse auf Stoffeinträge aus den Teileinzugsgebieten der Seen.
Ökologischer Zustand / Ökologisches Potenzial der in Bayern erfassten 53 Seewasserkörper.
Quelle: LfU, Referat 84, Dr. Schaumburg
Bewertungskarte operatives Monitoring.
Quelle: LfU, Referat 84, Dr. Schaumburg
Zu Beginn seiner Ausführungen erläuterte Prof. Dr. Herwig Stibor (LMU) die Abhängigkeit des Ökosystems See von seinem Einzugsgebiet. Anschließend stellte er die verschiedenen Stickstoffeintragsquellen und die Auswirkungen der Stickstoffdüngung seit ihrer Einführung zu Beginn des 20. Jahrhunderts dar. Neben Stickstoff sind Kohlenstoffverbindungen und vor allem Phosphor und deren Konzentrationsverhältnisse für die Habitatbedingungen in Seen entscheidend. Zuviel Stickstoff hemmt beispielsweise die Ausnutzung des Phosphors durch Algen und behindert damit eine Verstoffwechslung des Phosphors. Daher könnten trotz Erfolgen bei der Phosphorreduktion Nährstoffprobleme von Seen bestehen bleiben und als Konsequenz nicht nur die Phosphor-, sondern auch die Stickstoffeinträge zukünftig in den Fokus des Einzugsgebietsmanagements rücken. Weltweit werden Projekte zum Einzugsgebietsmanagement umgesetzt - dass dies auch in wenig entwickelten Ländern erfolgreich gelingt, lässt hoffen.
Einzugsgebietsmanagement
Verschiedene Vorträge befassten sich mit dem Einzugsgebietsmanagement. Bevor Maßnahmen zur Verringerung von Phosphoreinträgen entwickelt werden können, müssen die Phosphor-Einträge quantifiziert und die Eintragswege ermittelt werden. Die dazu verwendeten Modelle (MONERIS, MEPhos) eigenen sich in Abhängigkeit von Relief und Hangneigung unterschiedlich gut, ersetzen allerdings Vor-Ort-Untersuchungen nicht. Das Einzugsgebietsmanagement umfasst in der Regel folgende Komponenten: Abwassermanagement, Fließgewässermanagement (Zuläufe), Beratung und Förderung im Bereich Landwirtschaft und gewässerschonende Bewirtschaftungsmaßnahmen.
Als gewässerschonende Maßnahmen wurden identifiziert:
Bodenabtrag (Erosion) von Ackerflächen vermeiden
- (Winter)begrünung
- Mulch-/Direktsaat
- Hangunterteilung
- Fruchtfolge
- Umwandlung Acker in Grünland
- Anlage von Pufferstrukturen (Gewässerrandstreifen, Hecken, begrünte Mulden etc.)
Düngemanagement optimieren
- Nährstoffversorgung der Böden
- Nährstoffbilanzierung
- Bodenart berücksichtigen
- Anlage von Pufferstrukturen
Retentionsflächen schaffen
- Grünstreifen zum Gewässer- und Bodenschutz
- Umwandlung von Acker in Grünland
- Extensive Grünlandnutzung
Betriebsstruktur verändern
- Reduktion Großvieheinheiten pro Hektar
- Verzicht auf Zukauf von nicht regional produziertem Kraftfutter
- Umstellung auf ökologischen Landbau
Direkteinträge (Hofstelle, Silos, Festmist- + Güllelagerung) verhindern.
Im Vergleich des Einzugsgebiets der Altmühl und des Waginger-Tachinger Sees zeigen sich deutliche regionale Unterschiede in Hinblick auf die Eintragspfade und damit die Notwendigkeit spezifischer Lösungsansätze.
Robert Brandhuber von der Landesanstalt für Landwirtschaft hob die Vorteile der ökologischen Landwirtschaft zur Vermeidung von Bodenerosion hervor. Auf Ackerflächen des ökologischen Landbaus sei der berechnete Bodenabtrag um zwei Drittel geringer als im konventionellen. Außerdem hätten ökologisch wirtschaftende Betriebe meist einen höheren Grünlandanteil und mehr Landschaftselemente in der Feldflur, was sich ebenfalls erosionsminimierend auswirkt.
Förderprogramme der Landwirtschaft, der Wasserwirtschaft und des Naturschutzes erhöhen die Bereitschaft der Landwirte zur Maßnahmenumsetzung. Daneben bieten Ökokontoflächen nach der Bayerischen Kompensationsverordnung eine Chance, großflächig ökologisch hochwertige Flächen zu entwickeln, die gleichzeitig auch dem Wasser- oder Nährstoffrückhalt dienen können. Die Erfahrungen des Landschaftspflegeverbandes Rottal-Inn zeigen, dass sich die verschiedenen Maßnahmen im Einzugsgebiet und am Gewässer gut kombinieren lassen und dabei vielfach Synergien zum Beispiel zwischen Hochwasserschutz und Gewässerschutz oder zwischen Gewässerschutz und Erholungsnutzung ergeben.
Die Stadt Pfarrkirchen war ein wesentlicher Motor für das Modellprojekt "Rottauensee", aus dem sich die Initiative "boden:ständig" entwickelte. Für Georg Riedl, den ehemaligen Bürgermeister der Stadt Pfarrkirchen, war klar: "wir müssen die Menschen gewinnen, die sich miteinander für ihre Böden und ihre Bäche engagieren wollen." Das Ziel war es, ein Mitmachprojekt zu schaffen, das von den Menschen vor Ort über viele Jahre getragen wird. Eine aktive Kommunikationsstrategie mit Netzwerkbildung und vor allem ein Umsetzungsteam, das berät und Vertrauen schafft, waren dabei wichtige Erfolgsfaktoren.
Exkursion
Inga Grote vom Wasserwirtschaftsamt Traunstein und der Planer Anton Lenz erläuterte vorab die Ergebnisse der Interreg-Projekte "SeenLandWirtschaft" und "Gewässerzukunft Waginger-Tachinger-See". Der Haupteintrag von gelöstem Phosphor erfolgt bei Starkregenereignisse über Drainagen, für partikulären Phosphor sind Leitungsnetze, flächige Abschwemmungen, Transport über Gräben und Bachsysteme sowie Direkteinträge aus Silos und Mistlagerung die wichtigsten Eintragspfade.
Exkursionsteilnehmer am Nährstoffrückhaltebecken bei Ebing (Foto: Hannes Krauss, ANL.
Auf der Exkursion stellte Anton Lenz einige im Rahmen des boden:ständig Projektes Waginger-Tachinger-See realisierten ingenieurökologischen Maßnahmen zum Nährstoffrückhalt vor. Das Rückhaltebecken bei Ebing, das das gesammelte Drainagenwasser aufnimmt, dient dem Rückhalt von gelöstem Phosphor. Das Becken springt vor allem bei Starkregenereignissen an, der Niedrigabfluss des angrenzenden Grabens ist sichergestellt. Aufgrund des großen Höhenunterschiedes zwischen Becken und Graben wird der Phosphor während des Versickerungsprozesses im Boden deponiert. Das Gewässer und der blütenreiche Saum, der sich auf den nährstoffarmen Böschungen entwickelt hat, sind naturschutzfachlich wertvoll. Diese Lebensraumqualität sollte durch ein naturschutzfachliches Pflegemanagement erhalten werden, waren sich die Exkursionsteilnehmer einig.
Nährstoffrückhaltebecken mit Versickerung bei Ebing:
Grafik: Ingenieurbüro Lenz, Ringelei
Rückhaltebecken bei Ebing (Foto: Hannes Krauss, ANL).
Zum Rückhalt von partikulärem Phosphor wurde an einem Sammelgrabenausfluss bei Schneidergröben ein Rückhaltebecken mit anschließender Verrieselungsfläche gebaut. Am Grunde des Beckens hat sich bereits eine Schlammschicht gebildet, in welcher der partikulare Phosphor gebunden ist. Die Verrieselungsfläche wurde auf einer Grünlandfläche angelegt. Auf dieser hat sich inzwischen ein seggenreicher Vegetationsbestand gebildet, der nach naturschutzfachlichen Anforderungen gepflegt wird.
Rückhaltebecken mit Verrieselung bei Schneidergröben:
Grafik: Ingenieurbüro Lenz, Ringelei
Teilnehmer begutachten das Rückhaltebecken bei Schneidergröben (Foto: Hannes Krauss, ANL).
Einblick in ihre Betriebe und ihre Betriebsphilosophie gewährten der Biobauer Willi Setzer-Mühlbacher und der konventionell wirtschaftende Landwirt Markus Haselberger. Aus den Koppelkurzrasenweideflächen des Biobetriebs finden P-Austräge allenfalls über Kahlstellen statt. Bei einem Viehbesatz von 1,4 Großvieheinheiten pro Hektar und dem Verzicht auf Mineraldünger ist der Phosphorumsatz generell geringer. Der konventionelle Betrieb mit 100 Stück Milchvieh setzt über das Kulturlandschaftsprogramm geförderte gewässerschonende Maßnahmen und auf freiwilliger Basis Greening-Maßnahmen um. Die Teilnehmer konnten einen vorbildlichen Gewässerrandstreifen besichtigen und wurden von Landwirt Markus Haselberger über die Vorteile der Winterbegrünung informiert.
Teilnehmer im Kuhstall des Biobetriebs und am Gewässerrandstreifen (Fotos: Hannes Krauss, ANL)
Fazit
Im Rahmen der Fachtagung wurde deutlich, dass bei den Bemühungen zur Verbesserung der Wasserqualität der bayerischen Seen das jeweilige Wassereinzugsgebiet eine zentrale Rolle spielt. Die vorgestellten und diskutierten Maßnahmen zeigen, dass Strategien bestehen, die Seen in Richtung eines guten ökologischen Zustandes zu entwickeln. Dabei gibt es kein einzelnes Patentrezept. Vielmehr ist die Umsetzung einer Vielzahl von Maßnahmen, die in unterschiedlichen Bereichen ansetzen, erforderlich. Eine zentrale Rolle nimmt dabei Art und Qualität einer gewässerschonenden Landbewirtschaftung ein. Gleichzeitig müssen aber auch Stoffeinträge aus dem Siedlungsabwasser, aus der Verkehrsinfrastruktur, von landwirtschaftlichen Punktquellen und aus der Luft aufgedeckt und beseitigt werden. Zudem sind entsprechende landschaftliche Pufferstrukturen notwendig, die dazu in der Lage sind, Nährstoffe langfristig vor Ort festzulegen.
In den Diskussionen wurde deutlich, dass nur gemeinsame Anstrengungen von Landwirtschaft, Naturschutz und Wasserwirtschaft zum Erfolg führen können.
Ansprechpartner
Hannes Krauss
Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL)
Fachbereich 3: Bildung, Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation
Seethalerstraße 6
83410 Laufen
Telefon +49 8682 8963-58
Stefanie Riehl
Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL)
Fachbereich 3: Bildung, Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation
Seethalerstraße 6
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