Beweidung in Natura 2000-Gebieten
Fachtagung in Bächingen an der Brenz vom 21. bis 22. Juni 2012
Das „mooseum“ in Bächingen a. d. Brenz erwies sich als idealer Veranstaltungsort für die Vorträge der Fachtagung.
Foto: Arbeitsgemeinschaft Schwäbisches Donaumoos e.V. (ARGE Donaumoos)
Vor 20 Jahren ist die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (Richtlinie 92/43/EWG), kurz FFH-Richtlinie, europaweit in Kraft getreten. In Verbindung mit der Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, Richtlinie 79//409/EWG, modifiziert 2009) bildet sie die rechtliche Basis für das Entstehen eines europäischen Schutzgebiet-Systems „Natura 2000“.
In Bayern haben FFH- und Vogelschutzgebiete einen Anteil von 11,4 % an der Landesfläche. Das entspricht rund 801.000 ha mit besonderer Arten- und Habitat-Ausstattung. Im Freistaat kommen beispielsweise 58 von ca. 250, der nach FFH-Richtlinie geschützten Lebensraumtypen vor. Oftmals sind diese Lebensraumtypen durch eine extensive Nutzung entstanden und auf eine Weiterführung dieser Nutzungen angewiesen. Beweidung hat sich in den letzten Jahren bei der Pflege und Entwicklung von Natura 2000-Lebensräumen vielfach bewährt. Dennoch ist in einigen Schutzgebieten, trotz dringendem Handlungsbedarfs, nach wie vor eine gewisse Skepsis gegenüber einem Beweidungs-Management zu beobachten.
Grund genug, sich diesen Flächen einmal aus Sicht der Landschaftspflege mit Weidetieren zu widmen. Karl-Heinz Kolb (bbv-LandSiedlung, Bad Neustadt a. d. Saale) eröffnete die Fachtagung mit einem umfassenden Abriss der Voraussetzungen einer erfolgreichen Beweidung in Natura 2000-Gebieten. Er spannte den Bogen von ökologisch bis ökonomisch optimalen Voraussetzungen, die zum Gelingen von naturschutzorientieren Beweidungsprojekten notwendig sind. Er ging dabei unter anderem auf das Fraß-Verhalten verschiedener Weidetiere, auf die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Weidesysteme, aber auch beeinflussende Faktoren wie Flächengröße und Beweidungszeitpunkt ein. Zum Abschluss seines Vortrages betonte er den hohen Stellenwert der Einbindung anderer Landnutzer sowie des ehrenamtlichen Umwelt- und Naturschutzes, um sinnvolle Übereinkünfte zu finden. Im Anschluss daran zeigten Andreas Zahn (MODRAS Gbr, Waldkraiburg) und Anne Meyer (ANL, Laufen) Management-Maßnahmen und „Best Practice“-Beispiele zur Integration von Belangen des Vogelschutzes in Beweidungsprojekte.
In Bayern kommen 81 der 181 entsprechend Anhang I der Vogelschutzrichtlinie besonders geschützten Vogelarten vor. Weideflächen sind für Vögel vor allem dann interessant, wenn sie zusätzliche Insektenlebensräume bieten, zum Beispiel durch Dung, vielfältige Strukturen oder die Weidetiere selbst. Habitat-Ansprüche von Wiesenbrütern können auf Weiden durch verschiedene „Stellschrauben“, wie Besatzdichte oder Beweidungszeitpunkt, berücksichtigt werden. Dies konnte am Beispiel des Wiesmet, einem der bedeutendsten Vogelschutzgebiete Süddeutschlands, eindrucksvoll gezeigt werden. Auf 9 ha Weidefläche wird dort eine Beweidung, teilweise auch auf Brutflächen, erprobt.
Dr. Anita Idel beleuchtete im Anschluss die Bedingungen für eine erfolgreiche Beweidung aus Sicht der Weidetiere und Tierhalter. Sie wies unter anderem auf Anforderungen von Wiederkäuern an Weideflächen hin, wie sie zum Beispiel bei Wasserbüffeln bestehen. Weideflächen müssen diesen Tieren die Wahl zwischen eiweißreichem und rohfaserreichem Aufwuchs/Futter bieten. Außerdem ging sie auf die Bedeutung eines guten Zusammenspiels von Leittier und Tierhalter ein, aber auch auf die Notwendigkeit die Tiere an die Bedingungen der jeweiligen Weide einzugewöhnen.
Auf der anschließenden Exkursion in die unmittelbare Umgebung des mooseums stellte Bernhard Delle, Mutterkuhhalter, Gastronom und Metzger aus Gundelfingen, seinen Betrieb und die Weidefläche seiner Angus-Herde vor. Im Anschluss wurde die von der ARGE Donaumoos seit 1998 betreute ganzjährige Beweidung mit Exmoor-Ponys auf zweimal gut 6 ha im FFH-Gebiet Gundelfinger Moos diskutiert.
Angus-Herde und Teilnehmer-„Herde“ stehen sich prüfend gegenüber.
Foto: ARGE Donaumoos
Der zweite Tagungstag begann mit einem Beitrag zur regionalen Vermarktung von Weidetieren. Dr. Rudi Holzberger von der Stiftung LandZunge (Biberach) stellte die Idee, die konzeptionelle Herangehensweise und die Implementierung der erfolgreichen Regionalmarke LandZunge vor. Das Ziel ist es, alle verwertbaren Teile des Schlachtrindes in die Vermarktung zu integrieren. Denn oft sind Gasthäuser ausschließlich an den „Filetstücken“ interessiert.
Im anschließenden Vortrag ging Prof. Dr. Rainer Luick auf die Einflüsse der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) ab 2014 ein. Dabei beleuchtete er die Vorschläge der EU-Kommission sowohl aus Sicht des Naturschutzes, als auch aus Sicht der Tierhalter. Als besonders kritisch sind die Reduzierung der Finanzmittel, aber auch fachliche Fragen, wie die Definition von Dauergrünland für die gesamte EU zu sehen. Die europaweiten Unterschiede zwischen verschiedenen Weidelandschaften und deren Komplexität wurden durch seine Ausführungen zur Weidehaltung in verschiedenen Staaten Europas deutlich.
Der Vormittag endete mit der Vorstellung von Praktikern aus der Region. Weidetier haltende Landwirte stellten ihre verschiedenen Betriebsstrukturen vor, angefangen von einem Neu-Ulmer Milchviehbetrieb mit ganzjähriger Heufütterung (Bayerischer Landesmeister bei der Herdenlebensleistung) über Feuchtgebietsbeweidung im württembergischen Oberschwaben bis hin zu einem Wasserbüffelhalter auf der Schwäbischen Alb mit 170 Mutterkühen und eigenem Vermarktungskonzept.
Ziele der nachmittäglichen Exkursion ins Schwäbische Donaumoos waren der Günzburger Milchviehbetrieb Franz Gossner (Schwäbischer Wiesenmeister 2011), das FFH-Gebiet Leipheimer Moos mit einer Schottisch-Highlands-Herde, vorbei an den Nassflächen des bisher einzigen in Bayern wieder vernässten Niedermoores bis in das von Wasserbüffeln beweidete angrenzende Langenauer Ried.
Zusammenfassend bleiben vor allem die offenen und zielführenden Diskussionen zwischen Praktikern, Verwaltung, Wissenschaft und angewandtem Naturschutz auf der von ANL und ARGE Donaumoos gemeinsam veranstalteten Fachtagung festzuhalten.
Die Exkursionen der Fachtagung führten unter anderem ins FFH-Gebiet Gundelfinger Moos, wo Teilflächen seit 15 Jahren durch eine Beweidung mit Exmoor-Ponys gepflegt werden.
Foto: ARGE Donaumoos
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